Reformen wurden nicht zufriedenstellend umgesetzt. Nächste Tranche über zwei Mrd. muss warten. Das Geld wird nicht vor November fließen.
Wien/Brüssel/Athen. Die jüngsten Berichte aus Athen muten wie ein Déjà-vu dessen an, was die gesamte Eurozone in den ersten Monaten dieses Jahres in Atem gehalten hat. Die Geldgeber wollen Griechenland vorerst kein frisches Geld auszahlen, weil wichtige Reformen bis dato nicht umgesetzt wurden, berichtet die „Süddeutsche Zeitung“ am Dienstag: Demnach wurden von 48 vereinbarten Schritten in dem zwischen Gläubigern und Regierung vereinbarten „Memorandum of Understanding“ (MoU) erst 14 tatsächlich beschlossen. Das Geld wird daher nicht vor November fließen.
Ursprünglich hatte die EU-Kommission mit der Auszahlung weiterer Hilfsgelder in Höhe von zwei Milliarden Euro schon im Lauf dieser Woche gerechnet. „Das würde ich so sagen“, meinte der zuständige Vize-Kommissionschef, Valdis Dombrovskis, am vergangenen Mittwoch lapidar. Eine weitere Milliarde war für die darauf folgenden Wochen vorgesehen. Allerdings ist zur Freigabe von Hilfsgeldern der Sanktus der Euro-Finanzminister nötig – und diese warten nun erst einmal den Arbeitsbericht technischer Experten der Geldgeber in Athen ab, der rechtzeitig zu einem Treffen der Euro-Gruppe am 9. November fertiggestellt sein soll.
Ernüchternder Besuch in Athen
Indes fiel auch ein Besuch von Dombrovskis in der griechischen Hauptstadt Anfang dieser Woche eher ernüchternd aus: Es gebe „zahlreiche offene Themen und Punkte“, die noch zu erfüllen seien, räumt ein Mitarbeiter des griechischen Finanzministeriums gestern gegenüber der Deutschen Presseagentur ein. Schon Mitte der vergangenen Woche waren die Geldgeber-Institutionen aus Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB), Internationalem Währungsfonds (IWF) und Eurorettungsschirm (ESM) für einen kurzen Informationsaustausch mit Finanzminister Euklid Tsakalotos nach Athen gereist. Eine intensivere Überprüfung der Reformfortschritte wollen die Institutionen im November durchführen. Zu den besonders strittigen Punkten im Reformprogramm gehört der Umgang der Banken mit faulen Krediten: Während die Gläubiger dafür plädieren, Zwangsräumungen bei den Schuldnern zu erleichtern, hält Ministerpräsident Alexis Tsipras vehement dagegen.
Für die Rekapitalisierung der Banken stehen im dritten Hilfsprogramm in Höhe von 86 Milliarden insgesamt 25 Milliarden Euro bereit. Geld, das Athen dringend benötigt: Denn schon ab dem kommenden Jahr gelten schärfere Regeln bei der Bankensanierung in Europa. Dann müssen Aktionäre und Geldgeber als Erste zur Kasse gebeten werden, um die europäischen Steuerzahler zu entlasten. Bis Jahresende sollten die griechischen Finanzinstitute deshalb mit zusätzlichem Kapital ausgestattet werden.
Parlament beschloss Sparpaket
Erst vor zehn Tagen hatte das griechische Parlament die Umsetzung eines weitreichenden Sparpakets gebilligt, das unter anderem neue Steuern und härtere Strafen für Steuersünder vorsieht. Auch das Pensionsantrittsalter soll nun endgültig auf 67 Jahre erhöht werden. Zudem soll die Privatisierung der griechischen Eisenbahnen beschleunigt werden. Im Gegenzug hofft Tsipras auf Schuldenerleichterungen seitens der Geldgeber – EZB-Chef Mario Draghi hat dies für den Fall der erfolgreichen Umsetzung der Sparmaßnahmen in Aussicht gestellt. Griechenland ist auf ein solches Entgegenkommen der Geldgeber angewiesen: In diesem Jahr dürfte der Schuldenberg des südeuropäischen Landes auf über 180 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung steigen. (aga/ag.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.10.2015)