Wurde das Grabtuch von Turin in Indien gewoben?

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Genanalysen von Staub aus dem Tuch deuten in die halbe Welt.

Um das Jahr 30 oder 33 tauchte in Jerusalem ein Tuch aus Leinen mit dem Abbild eines Mannes auf. Nach langen Irrfahrten gelangte es nach Frankreich, 1335 nach Lirey bei Troyes, 1578 ging es in die Hände der Fürsten von Savoyen, seitdem wird es in Turin verwahrt, viele Gläubige sehen in dem Abdruck den des Gekreuzigten.

Das ist die eine Version der Geschichte. Aber schon als die Reliquie in Lirey ausgestellt wurde, gab es Protest: „Fälschlich und betrügerisch, in verzehrender Habgier“ habe man „ein listig bemaltes Tuch angeschafft“. Das schrieb der Bischof von Troyes an den Papst, der sich anschloss: Das Tuch sei keine Reliquie. Entschieden ist die Causa bis heute nicht, obwohl eine Datierung 1988 zu dem Befund kam, das Tuch stamme aus dem Jahr 1325, sei also ein Fälschung. Die Gläubigen gaben sich damit nicht zufrieden: Vielleicht war trotzdem just das damals datierte Stück ein späterer Flicken auf dem original Jerusalemer Leichentuch.

Wie soll man es klären? 1988 wurde dem Tuch auch Staub entnommen, die Gene darin hat Giovanna Baraccia (Genua) analysiert – und alles noch verwirrender gemacht (Scientific Reports, 5.10.): Im Tuch sind Gene von Pflanzen, vor allem von Fichten, aber auch von mediterranen Gewächsen, chinesischen gar, die erst mit Marco Polo aufgetaucht sind. Und im Tuch sind viele Gene von Menschen enthalten; es wurde oft angefasst, von Menschen aus Europa, dem Nahen Osten, Südamerika, dem fernen Osten: Gene aus Indien sind häufig. Das lässt Baraccia spekulieren, das Tuch sei dort gewoben worden. Dies legt länger schon sein Name nahe: Sindone de Torrino. Es könnte auf „Sindia“ deuten, ein Gewebe aus Indien. (jl)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.10.2015)

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