Reformkommission: Zweieinhalb Modelle für die Schulreform

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Drei Wochen vor dem Abgabetermin für die Bildungsreform dürfte noch immer darüber diskutiert werden, ob Bund oder Länder die Verantwortung für die Lehrer übernehmen sollen.

Wien. Man war geneigt zu glauben, dass der Optimismus nicht bloß gespielt war – so positiv gestimmt, wie sich der ÖVP-Chefverhandler für die Bildungsreform neulich zeigte: „Ich bin frohen Mutes“, sagte Staatssekretär Harald Mahrer neulich über die Bildungsreform, die in drei Wochen abgegeben werden soll. Optimismus wird versprüht. Was die Inhalte angeht, gibt man sich umso zugeknöpfter. Nach der gestrigen Verhandlungsrunde – bei der sich nach längerer Zeit wieder einmal alle vier Bundesvertreter und die vier Landeschefs trafen – gab es daher auch keine offizielle Stellungnahme.

Auf die Versprechungen der Verhandler will sich die von der Industriellenvereinigung (IV) initiierte Initiative Neustart Schule, die zuletzt immer wieder öffentlich Druck auf die Regierung gemacht hat, nicht verlassen. Am Nationalfeiertag wendete sie sich per Videoappell an die Regierung. Der ehemalige EU-Kommissar Franz Fischler (ÖVP), Ex-WU-Rektor Christoph Badelt, Raiffeisen-Generalanwalt Walter Rothensteiner, Infineon-Chefin Sabine Herlitschka und viele mehr kritisierten unter anderem „jahrzehntelangen Stillstand und ideologische Grabenkämpfe“ und forderten, „die Interessen des Kindes in den Mittelpunkt zu stellen“.

Bei den bisherigen Verhandlungsterminen stand bisher vor allem ein Thema im Zentrum: die Schulautonomie. Hier dürfte es keine allzu großen Differenzen zwischen Bund und Ländern bzw. SPÖ und ÖVP geben. Schulen sollen also mehr Mitsprache in finanziellen, personellen und pädagogischen Belangen erhalten. Die Rede ist von Direktoren, die (mit)entscheiden können sollten, wann die Schule beginnt, wie sie den Tagesablauf gestalten, welche Fächer an der Schule gelehrt werden und wer unterrichten darf. Die Ausgestaltung im Detail bleibt aber vage. Wie vielversprechend das Schlagwort Autonomie tatsächlich ist, wird sich also erst am 17. November zeigen.

„Irrelevant“ und „ganz neu“

Der weitaus größere und schwierigere Brocken dürfte die Schulverwaltungsreform sein, um die es offiziell aber ohnehin nur noch am Rande geht. Auf diese Sprachregelung hat man sich nach dem Ausscheiden der beiden Landeshauptleute Hans Niessl (SPÖ) und Erwin Pröll (ÖVP) geeinigt. Damals wurde wie schon so oft über die Verantwortung für die Lehrer gestritten – also über eine Übernahme aller Lehrer (auch der AHS- und BMHS-Lehrer) durch die Länder oder eben den Bund. Das dürfte auch jetzt noch einer der Hauptstreitpunkte in der Bildungsreformkommission sein. Auch, wenn Staatssekretär Mahrer zuletzt meinte: Die Frage, ob die Lehrer nun in die Hand von Bund oder Ländern kämen, sei „irrelevant“: Alles werde „ganz neu“.

Dem Vernehmen nach lagen auf dem Tisch der Arbeitsgruppe ursprünglich sechs Modelle, wie die Schulverwaltung aussehen könnte. Sie reichten von einer kompletten Verwaltung durch den Bund bis zur kompletten Verländerung. Diese beiden Extreme dürften aber inzwischen ausgeschieden sein. Alle Landeslehrer etwa dem Bund zu übertragen wäre auch rechtlich kompliziert: Immerhin müsste man rund 60.000 Lehrer versetzen, weil der Dienstgeber sich ändert.

Über „zweieinhalb Modelle“ wird derzeit angeblich noch diskutiert. Es geht dabei offenbar um Mischformen – etwa eine freiwillige (oder verpflichtende) Mitverwaltung der Landeslehrer durch den Bund, wie sie in einigen Bundesländern bereits praktiziert wird.

Wien, Niederösterreich, Oberösterreich, die Steiermark und das Burgenland haben die Verwaltung der Lehrer bereits dem Landesschulrat übertragen, der ja (trotz seines irreführenden Namens) eine Bundesbehörde ist. Die Länder bezahlen den Bund dafür, ersparen sich aber eine eigene Verwaltung. Diese Konstruktion könnte nun auf die anderen Länder übertragen werden. Ein Vorteil einer solchen Lösung: Der Dienstgeber würde so nicht wechseln. Immer wieder diskutiert wurde die Idee sogenannter Bildungsdirektionen – also Länderbehörden, die freiwillig oder verpflichtend die Verwaltung der Bundeslehrer mit übernehmen könnten.

Die Landesschulräte stehen ohnehin auf dem Spiel. Der Rechnungshof hatte zuletzt empfohlen, einen Bundesbeamten an die Spitze zu setzen. Auch die Vizepräsidenten, die es in fünf Bundesländern gibt, könnten gestrichen werden. Gleiches gilt für die von den Landtagsparteien gemäß ihrer Stärke beschickten Landesschulratskollegien mit österreichweit rund 500 (ehrenamtlichen) Mitgliedern – vor allem Lehrer- und Elternvertreter, die unter anderem Dreiervorschläge für Direktorenbestellungen erstellen.

Schüler kritisieren „Scheineinbindung“

Nach dem offiziellen Treffen der Bildungsreformer lud Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) gestern Nachmittag noch einmal zum Gespräch – diesmal aber Schüler-, Lehrer- und Elternvertreter. Sie sollten ihre Ideen zur Schule der Zukunft einbringen. Lang zuvor hatten diese bereits ihre Einbindung in die Diskussion gefordert: „Wir sind froh, dass wir nun gehört werden, aber der Termin kommt etwas gar spät“, sagt Bundesschulsprecher Maximilian Gnesda zur „Presse“. „21 Tage vor der Präsentation der Bildungsreform kann man nur von einer Scheineinbindung sprechen. Das ist den Schülern gegenüber respektlos.“ (beba/j.n./APA)

AUF EINEN BLICK

Die Bildungsreformkommission besteht zur Hälfte aus SPÖ- und ÖVP-Vertretern und zu gleichen Teilen aus Regierungsmitgliedern und Landeshauptleuten. Auf SPÖ-Seite sind Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek und Kanzleramtsminister Josef Ostermayer, der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser und Michael Häupl vertreten. Auf ÖVP-Seite gehören der Gruppe Staatssekretär Harald Mahrer, Innenministerin und ÖAAB-Chefin Johanna Mikl-Leitner, der Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer und Günther Platter an. Begonnen hat die Arbeit der Reformkommission in anderer Zusammensetzung: Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ) und Niederösterreichs Landeschef Erwin Pröll (ÖVP) verließen die Gruppe am 1. Juli. Dem Vernehmen nach deshalb, weil sie die Gefahr sahen, dass der Bund die Verantwortung über alle Lehrer übernehmen will.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.10.2015)

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