Wirtschaft: "Rückfall in konjunkturelle Lethargie"

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Die Konjunkturumfrage der Industriellenvereinigung zeigt für Österreich ein düsteres Bild. 2016 droht das fünfte Stagnationsjahr in Folge. Schuld daran ist unter anderem die Politik.

Wien. Was ist eigentlich mit der österreichischen Wirtschaft los? In der Vorwoche gab es Meldungen, wonach die Konjunktur in der Eurozone leicht anzieht. In Österreich dagegen verschlimmert sich die Situation, wie die am Dienstag veröffentlichte Konjunkturumfrage der Industriellenvereinigung zeigt. Dazu wurden Vertreter von 412 Unternehmen mit über 260.000 Beschäftigten befragt. Der Chefökonom der Industriellenvereinigung, Christian Helmenstein, spricht von einer „Trendumkehr nach unten“.

Die Industriellenvereinigung führt die Umfrage jedes Quartal durch. Bei vielen Fragen, wie zum derzeitigen Auftragsbestand, zu den gegenwärtigen Auslandsaufträgen, zur jetzigen Ertragssituation sowie zur Ertragssituation in sechs Monaten, fallen die Antworten der Unternehmensvertreter schlechter aus als vor drei Monaten. So haben die österreichischen Exporteure Schwierigkeiten, ihre internationale Marktposition zu halten. Hinzu kommen die trüben Aussichten auf dem Arbeitsmarkt.

„Österreich droht der Rückfall in die konjunkturelle Lethargie. Die Befürchtungen werden wahr – noch bevor die Erholung bei uns ankommt, beginnt die konjunkturelle Dynamik schon wieder nachzulassen“, sagte Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung.

Vorletzter Rang in der EU

Für 2016 ist der Ausblick düster. Nach Ansicht der Industrie steht das fünfte Jahr der Stagnation bevor. Diese negative Sicht überrascht. Noch Ende September zeigten sich das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) und das Institut für Höhere Studien (IHS) optimistisch. Ihren Prognosen zufolge soll sich das Wirtschaftswachstum im nächsten Jahr verdoppeln. Das Wifo erwartet für 2016 ein Plus von 1,4 Prozent, das IHS sogar 1,6 Prozent. Doch Helmenstein von der Industriellenvereinigung bezweifelt, dass diese Prognosen halten werden. Auch im internationalen Umfeld ist Österreich zuletzt zurückgefallen. „Österreich rangiert am vorletzten Rang in der Europäischen Union“, so die Industriellenvereinigung. Nur Frankreich habe sich noch ungünstiger entwickelt.

Schuld an dieser Entwicklung ist nach Meinung der Industrie unter anderem die Regierung. Die Unternehmen halten sich mit Investitionen zurück. Denn „eine Reihe vertrauensschädigender fiskalpolitischer Maßnahmen“ hätte das Vertrauen unterminiert, sagt IV-Generalsekretär Neumayer. Große Hoffnungen setzt er auf den Arbeitsmarktgipfel am 30. Oktober.

Dieser Gipfel hätte schon im Mai stattfinden sollen, doch er wurde mehrmals verschoben. Die Industriellenvereinigung hofft, dass sich die Regierungsspitze und die Sozialpartner bei dem Treffen auf eine Senkung der Lohnkosten einigen werden. Das sei wichtig für eine Belebung der Konjunktur. Die Entlastung könne auch in Schritten erfolgen, müsse aber so groß sein, „dass sie nicht mit der Lupe zu suchen“ sei, so Neumayer. Tatsächlich hat Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) Mitte Oktober bei der Budgetrede angekündigt, dass ab 2017 die Lohnnebenkosten im Ausmaß von rund 1,3 Milliarden Euro pro Jahr sinken sollen.

Für die Industriellenvereinigung ist das zu spät. Sie geht davon aus, dass ein Teil der 1,3 Milliarden Euro schon beim bevorstehenden Gipfel kommt.

Arbeitslosigkeit steigt weiter

Neben der Industriellenvereinigung veröffentlichte am Dienstag auch die Bank Austria eine Konjunkturanalyse. Auch diese fällt in einigen Punkten nicht besonders gut aus. Die Bank Austria nahm unter anderem die Wirtschaftslage in den Bundesländern unter die Lupe. Demnach wird die Arbeitslosenrate heuer in allen Bundesländern höher sein als 2014. Besonders schlecht ist die Situation in Wien mit einer Arbeitslosenquote von 13,5 Prozent. Dahinter folgt Kärnten mit 11,1 Prozent und das Burgenland mit 9,3 Prozent. Positiv im Ranking schneiden Salzburg (sechs Prozent), Vorarlberg (6,2 Prozent) und Oberösterreich (6,2 Prozent) ab. Im Österreich-Schnitt soll die Arbeitslosigkeit saisonbereinigt heuer bei 9,2 Prozent liegen. Zum Vergleich: Im Vorjahr waren es 8,4 Prozent. Für 2016 wird ein weiterer Anstieg erwartet.

Als Konjunkturbremse erwies sich im ersten Halbjahr 2015 in fast allen Bundesländern die Bauwirtschaft. Dämpfend wirkten „die zurückhaltende Investitionsbereitschaft der Unternehmen und die beschränkten Handlungsspielräume im öffentlichen Bereich“, sagt Bank-Austria-Ökonom Walter Pudschedl. Für 2016 ist er aber nicht so pessimistisch wie die die Industriellenvereinigung. Für 2016 erwartet der Bank-Austria-Experte eine leichte Wachstumsbelebung auf 1,5 Prozent. Gute Aussichten haben unter anderem Bundesländer mit einer stärkeren Außenhandelsorientierung wie Vorarlberg, Oberösterreich und die Steiermark.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.10.2015)

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