Erzfeinde Saudiarabien und Iran erstmals gemeinsam bei Gipfel

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USA CONGRESS KERRY SYRIA(c) APA/EPA/JIM LO SCALZO (JIM LO SCALZO)
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US-Außenminister Kerry lädt heute alle wichtigen Regionalmächte nach Wien: 16 Chefdiplomaten, darunter auch seine Amtskollegen aus Teheran und Riad.

Wien. Sie führen quer durch den Nahen Osten schonungslose, religiös aufgeladene Stellvertreterkriege gegeneinander: vom Jemen über den Libanon bis nach Syrien. Am Freitag könnten die Chefdiplomaten Saudiarabiens und des Iran im Hotel Imperial erstmals gemeinsam an einem Verhandlungstisch sitzen. US-Außenminister John Kerry hat beide zu seinem Syrien-Gipfel nach Wien eingeladen.

Sein iranischer Amtskollege, Mohammed Javad Zarif, sagte am Mittwoch zu. Er wird mit drei Stellvertretern im Schlepptau anreisen. Für ihn ist es nach dem Wiener Atomabkommen ein weiterer diplomatischer Durchbruch. Bei den bisherigen Versuchen, den Bürgerkrieg in Syrien zu beenden, hatte der Iran gefehlt. Im Jänner 2014 hatte UN-Generalsekretär Ban Ki-moon eine Einladung an Irans Regierung zur Genf-II-Konferenz im letzten Moment wieder zurückgezogen. Zu groß war der Widerstand der syrischen Opposition – und der Saudis.

Auch diesmal legte sich Saudiarabien, steinreiche Schutzmacht der Sunniten in der Region, zunächst gegen eine Teilnahme des schiitischen Erzrivalen quer. So war es noch am Freitag nach der ersten Runde der Wiener Syrien-Gespräche in Diplomatenkreisen zu hören. Doch die Amerikaner unterbreiteten den saudischen Verbündeten offenbar ein Angebot, das sie kaum ablehnen konnten: ein verstärktes militärisches US-Engagement in Syrien. Das könnte die Saudis überzeugt haben, im Gegenzug auf dem diplomatischen Parkett mitzuspielen.

Der saudiarabische Außenminister, Adel al Jubair, wird jedenfalls an den Syrien-Gesprächen am Kärntner Ring teilnehmen. Er war schon beim Auftakt dabei, ebenso wie US-Gastgeber John Kerry und Sergej Lawrow und Feridun Sinirlioğu, die Chefdiplomaten Russlands und der Türkei. Eine Woche später ist der Kreis um einiges größer. Diesmal sind alle anwesend, die in Syrien ihre Finger im Spiel haben. Nur die Syrer selbst werden nicht vertreten sein, weder die Opposition noch das Regime von Bashar al-Assad.

Ihre Unterstützer aber, die den Krieg zuletzt auf beiden Seiten angeheizt haben, werden Gelegenheit haben, miteinander zu sprechen. Russland und der Iran, Assads wichtigste militärische und finanzielle Protektoren, werden den Förderern der teils radikalisierten syrischen Opposition gegenübersitzen: von den USA bis Katar – und Saudiarabien.

Es wird eng an der Tafel im Imperial: Denn zum Syrien-Quartett der vergangenen Woche sollen außer Zarif auch die Außenminister Großbritanniens (Philipp Hammond), Deutschlands (Frank-Walter Steinmeier), Frankreichs (Laurent Fabius), Chinas (Wang Yi), Italiens (Paolo Gentiloni), Katars (Khalid bin Mohamed Al Attiyah), Ägyptens (Sameh Shoukry), der Vereinigten Arabischen Emirate (Scheich Abdullah bin Zayed bin Sultan Al Nahyan), Jordaniens (Nasser Judeh), des Libanon (Gebran Bassil) und des Oman (Youssef al-Alawi Abdullah), sowie der irakische Vize-Außenminister Nazzar al-Khairalla dazustoßen, ferner der UN-Beauftragte, Staffan de Mistura, und die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini.
Kerry, der Initiator der diplomatischen Großveranstaltung, wird bereits am heutigen Donnerstagvormittag in Schwechat landen, sein russischer Amtskollege Lawrow in den Nachmittagsstunden. Sie wollen zunächst bilaterale Vorbereitungsgespräche führen, bevor am Freitag das Plenum zusammentritt. Es wird nicht der letzte Syrien-Gipfel bleiben. Läuft alles nach Plan, soll in der Woche darauf schon die nächste Runde stattfinden, wieder in Wien.

Österreichs Außenamt ist diesmal stärker eingebunden als beim letzten Mal. Es soll sich um internationale Medien kümmern und am Freitag eine Pressekonferenz auf die Beine stellen. Und Außenminister Sebastian Kurz, der wegen Grippe seine Israelreise absagen musste, wird nun auch Gelegenheit zu einer Unterredung mit Kerry haben: Für heute, Donnerstag, ist ein gemeinsames Abendessen geplant.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.10.2015)

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