Chinas ZK dekretiert: „Alle Paare dürfen zwei Kinder haben“

(c) AFP (WANG ZHAO)
  • Drucken

KP rückt von der umstrittenen Geburtenpolitik ab. Paare dürfen mehr als ein Kind bekommen. Die Kehrtwende ist Teil des 13.Fünfjahresplans, der Chinas Entwicklung von 2016 bis 2020 festlegt.

Peking. Die Meldung von Chinas Nachrichtenagentur Xinhua war nur sehr knapp gehalten. Doch bei Danone löste sie ein Kursfeuerwerk aus. Die Aktienkurse des französischen Lebensmittelkonzerns legten am Donnerstag zwischenzeitlich um mehr als vier Prozent zu. Der Grund: Anleger gehen davon aus, dass der Weltmarktführer von Babynahrung den Absatz seines ohnehin schon erfolgreichen China-Geschäfts in der nächsten Zeit ausweiten wird. Denn Chinas Führung hat das Ende der Ein-Kind-Politik verkündet.

„Alle Paare dürften künftig zwei Kinder haben“, teilte das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei über Xinhua am Donnerstagabend mit. Künftig dürfen Paare offiziell zwei Kinder bekommen. Auch die Begründung dieser Entscheidung fiel kurz aus: Überalterung der Gesellschaft und drohender Arbeitskräftemangel, schrieben die chinesischen Staatszeitungen. Die Kehrtwende ist Teil des 13.Fünfjahresplans, der Chinas Entwicklung von 2016 bis 2020 festlegt. Der Beschluss fiel auf dem viertägigen Parteitag der KP. Er ging am Donnerstag zu Ende.

Mehr als 35 Jahre lang hatte die chinesische Führung eine grausame und von Anfang an höchst fragwürdige Familienpolitik durchgesetzt. Wer ein zweites Mal schwanger wurde, musste mit drakonischen Strafen rechnen. Millionen Frauen wurden einer Zwangsabtreibung unterworfen.

Die Logik der Kommunistischen Partei: Nur wenn auf jedes Paar höchstens ein Kind kommt, lässt sich eine Bevölkerungsexplosion verhindern. Auf den ersten Blick schienen die Zahlen der chinesischen Führung recht zu geben. Und angesichts Chinas großer Bevölkerung fand diese Politik auch im Ausland viele Befürworter. Die Geburtenrate fiel von durchschnittlich acht Kindern in den Sechzigerjahren auf heute 1,4 pro Frau. Die Partei brüstet sich damit, auf diese Weise 400 Millionen Menschen verhindert zu haben. Bis heute ist China mit 1,38 Milliarden Menschen das bevölkerungsreichste Land der Welt.

Wichtiger Faktor Wohlstand

Forscher bezweifeln jedoch bereits seit einiger Zeit diese Zahl. Ihnen zufolge ging die Geburtenrate vorher drastisch zurück. Sie lag bereits Ende der 1970er, also vor Einführung der Strafen, nur noch bei knapp mehr als zwei Kindern pro Frau. Ausschlaggebend dafür sei – wie in anderen sich entwickelnden Ländern auch – der zunehmende Wohlstand der Menschen gewesen, fand der in den USA lebende chinesische Demografie-Experte Cai Yong von der University of South California heraus.

Tatsächlich erschien die Ein-Kind-Politik zuletzt auch Chinas Führung zunehmend sinnlos. Die 1980 eingeführte Politik hatte zur Folge, dass China nun vor einem demografischen Abgrund steht. Der Absturz in der Bevölkerungsentwicklung belastet die Wirtschaft. Die Zahl der Einwohner im arbeitsfähigen Alter geht seit 2011 sprunghaft zurück, während in gleichem Maß mehr Pensionisten versorgt werden müssen. Auch auf das Geschlechterverhältnis wirkt sich die Ein-Kind-Politik verheerend aus. Weil viele Paare lieber einen Buben zur Welt bringen wollten, ließen sie weibliche Embryonen abtreiben. Auf 100 Frauen kommen heute 117 Männer.

Dem chinesischen Sozialwissenschaftler Yuan Xin von der Nankai-Universität in Tianjin geht die Abschaffung der Ein-Kind-Politik nicht weit genug. In der Zeitung China Daily fordert er Reformen, die das Leben für Familien mit mehr Kindern begünstigen: flexiblere Arbeitszeiten, mehr Kinderbetreuung und finanzielle Hilfe vom Staat. Damit zieht China auch im familienpolitischen Diskurs mit westlichen Industrieländern gleich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.10.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Außenpolitik

Historischer Beschluss: China beendet Ein-Kind-Politik

Vier Jahrzehnte war die umstrittene Regelung in Kraft. Künftig dürfen alle Paare zwei Kinder bekommen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.