Erdogan: "Die Welt soll Wahlergebnis respektieren"

Themenbild: Wahltag in Ankara
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Mit knapp 50 Prozent eroberte die Partei von Präsident Erdoğan die bei der Wahl vor fünf Monaten verlorene absolute Mehrheit zurück. Das Votum sei eine "starke Antwort" auf die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK.

Nach dem überraschend deutlichen Wahlsieg der islamisch-konservativen AKP in der Türkei wird in Ankara mit einer zügigen Regierungsbildung gerechnet. Entgegen allen Vorhersagen der Meinungsforscher konnte die Partei von Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan bei der Parlamentswahl am Sonntag einen klaren Sieg einfahren. Mit knapp 50 Prozent eroberte die AKP die bei der Wahl vor fünf Monaten verlorene absolute Mehrheit zurück. Damit wird sie voraussichtlich 316 der 550 Abgeordneten in der Nationalversammlung in Ankara stellen.

Erdoğan stellte Montagfrüh vor AKP-Anhängern klar: Das Ergebnis sollte von der ganzen Welt respektiert werden. Die Türken hätten am Sonntag für Stabilität gestimmt.

Schon am Sonntag frohlockte der Präsident: Das Votum sei eine "starke Antwort" auf die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK, hieß es in der von der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu am Montagmorgen verbreiteten Erklärung. Auch zeige es der kurdischen Rebellengruppe PKK, dass "Gewalt, Drohungen und Blutvergießen nicht mit der Demokratie und dem Rechtsstaat koexistieren können".

(c) APA

Neue Verfassung mit Präsidialsystem

Ministerpräsident und AKP-Chef - und damit eigentlicher Spitzenkandidat der Partei - Ahmet Davutoğlu versprach bei seiner Siegesrede im Partei-Hauptquartier in Ankara vor Tausenden Anhängern, an einer neuen Verfassung zu arbeiten. "Reichen wir einander die Hände, um eine neue Verfassung zu schaffen", sagte er in der Nacht zu Montag. Erdoğan will per Verfassungsreform ein Präsidialsystem mit sich selber an der Spitze einführen.

Davutoğlu kündigte an, die Rechte aller Bürger und die Meinungs-und Glaubensfreiheit zu schützen. "Die Feinde der neuen Türkei haben einmal mehr verloren", sagte er. "Die Wahl vom 1. November war das Referendum für die neue Türkei. Ihr habt gezeigt dass die alte Türkei tief begraben ist und nie wieder zurückkehren wird."

Große Verluste für ultrarechte MHP

Die pro-kurdische HDP, die die AKP bei der Wahl im Juni um die absolute Mehrheit gebracht hatte, schaffte diesmal nur knapp die für einen Einzug ins Parlament vorgeschriebene Zehnprozenthürde. Mit voraussichtlich 59 Abgeordneten wird die prokurdische Partei drittstärkste Fraktion in der türkischen Nationalversammlung. Ihr Vorsitzender Selahattin Demirtas kritisierte, wegen der Angriffe und Anschläge auf die HDP habe die Partei keinen Wahlkampf führen können. Er kündigte eine Fortsetzung des Friedensprozesses zwischen Ankara und den kurdischen Rebellen an. 

Zweistärkste Kraft im Parlament wurde die Mitte-Links-Partei CHP, die ihren Stimmanteil nur leicht auf knapp 26 Prozent verbessern konnte. Die größten Verluste erlitt die ultrarechte MHP, die nur noch auf rund 12 Prozent kam. Die AKP hatte die ihr ideologisch oft nahestehenden MHP-Wähler massiv umworben.

Das offizielle Endergebnis der Parlamentswahl soll erst in elf oder zwölf Tagen veröffentlicht werden, sagte der Leiter der Wahlkommission, Sadi Güven. Das Gremium gewinne mit dem Schritt Zeit, Beschwerden von politischen Parteien zu prüfen.

Die Türkei gilt als Schlüsselland bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise, weshalb die Wahl auch in Europa aufmerksam verfolgt wurde. Die EU setzen auf Zusammenarbeit mit der türkischen Regierung, um den Zustrom von Flüchtlingen vor allem aus dem Bürgerkriegsland Syrien einzudämmen.

Reuters

Medien berichten von Wahlmanipulation

Unmittelbar nach Schließung der Wahllokale am Sonntag haben türkische regierungskritische Medien über Manipulationen berichtet. So schrieb die Tageszeitung "Cumhuriyet", dass der AKP-Bürgermeister der Stadt Göynücek, Kemal Sahin, seinen Wahlzettel Stunden vor Eröffnung der Wahllokale abgegeben habe. Dies habe Sahin auf Facebook öffentlich gemacht.

Die kurdische Nachrichtenagentur Firat berichtete, dass ihre Journalisten in der mehrheitlich kurdischen Provinz Adiyaman Wähler dabei beobachtet hätten, wie diese von AKP-Anhängern für ihre Stimme Geld bekommen hätten.

Die "Today's Zaman" berichtete, dass in einigen Wahlkreisen - darunter auch Istanbul - Autos ohne Nummernschild vor den Wahllokalen gestanden hätten. Das Blatt zitierte den Generalsekretär der Oppositionspartei CHP, Gürsel Tekin, mit den Worten: "Es ist sicher, dass ein Auto ohne ein Nummernschild kein gutes Omen ist."

Politische Stabilität - Kursstabilität

Das Wahlergebnis ließ die türkische Währung auf ihren höchsten Stand seit sieben Jahren klettern. Die Lira legte am Montag in der Früh um 4,4 Prozent zu. Für einen Dollar waren damit 2,78 Lira fällig - das war der beste Kurs seit sieben Jahren.

In diesem Jahr hatte die Lira wegen der unsicheren politischen Lage in der Türkei und den Gefechten zwischen der Armee und Kurdenrebellen mehr als 25 Prozent an Wert verloren.

(APA/dpa/Reuters)

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