Fast 70 Prozent der Austro-Türken stimmten für AKP

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Die islamisch-konservative Partei will nun die Verfassung nach Erdogans Geschmack ändern. Trotz des Wahlsiegs braucht sie dafür aber die Opposition.

In Österreich ist der Wahlsieg der AKP von Präsident Recep Tayyip Erdogan noch um einiges deutlicher ausgefallen als in der Türkei: Fast 70 Prozent stimmten für die islamisch-konservative Partei. Auf die HDP entfielen laut der türkischen Website "aa.com.tr" 13 Prozent, auf die CHP 9,7 Prozent und auf die MHP 6,3 Prozent.

Die Austro-Türken hatten vom 8. bis 25. Oktober die Möglichkeit, ihre Stimme an den türkischen Generalkonsulaten in Wien, Salzburg und Bregenz abzugeben. Zusätzlich war bis zum 1. November die Stimmabgabe an den türkischen Grenzen möglich. Die Auszählung der österreichischen Stimmen erfolgte schließlich in der Türkei. Die Wahlbeteiligung lag bei rund 44 Prozent.

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Ebenso wie in Österreich schnitt die AKP bei türkischen Wählern in Deutschland überproportional gut ab - auf Erdogan entfielen dort 59,7 Prozent der Stimmen, unter allen im Ausland lebenden Türken kam die AKP auf 56,2 Prozent, die prokurdische Partei HDP auf 18,2 Prozent . Die Mitte-links-Partei CHP holte 16,4 Prozent (Türkei: 26 Prozent). In der Schweiz, wo viele Kurden ihr Exil gefunden haben, lag hingegen die HDP deutlich vorne.

AKP will Verfassungsreform.

Insgesamt war es der islamisch-konservativen Regierungspartei von Erdogan gelungen,  entgegen allen Meinungsumfragen die absolute Mehrheit zurückzuerobern. Sie verfügt laut vorläufigem Endergebnis über 317 der 550 Sitze im Parlament (49,5 Prozent der Stimmen) und kann damit allein regieren.  Nach ihrem Wahlsieg drängt die  AKP nun auf eine Verfassungsreform, für die ihr allerdings weiterhin die notwendige Dreifünftelmehrheit fehlt. Ministerpräsident Ahmet Davutoglu rief die Opposition deshalb zur Zusammenarbeit für ein neues Grundgesetz auf.

Die AKP strebt die Umstellung auf ein Präsidialsystem an, das Erdogans Vollmachten beträchtlich ausweiten würde. Davutoglu warb in seiner Siegesrede für eine "zivile Verfassung, um die Putschverfassung zu überwinden". Die derzeitige Verfassung stammt noch aus der Zeit nach dem Militärputsch von 1980. Davutoglu sagte, die neue Verfassung solle "national" sein. Er stellte den Oppositionsparteien im Zuge der Verfassungsberatungen auch ein reformiertes Wahlsystem in Aussicht. Derzeit gilt in der Türkei eine im internationalen Vergleich sehr hohe Zehn-Prozent-Hürde für den Parlamentseinzug, die vor allem kleine Parteien und Minderheiten benachteiligt.

Erdogan hatte die vorgezogene Wahl angesetzt, weil nach dem Urnengang im Juni keine Koalition zustande gekommen war. Damals war die AKP zwar die mit Abstand stärkste Kraft geblieben, hatte aber erstmals seit 13 Jahren ihre absolute Mehrheit eingebüßt. Die prokurdische Partei HDP schaffte es damals zum ersten Mal ins Parlament und nahm der AKP entscheidende Sitze ab.

Am Sonntag schnitt die HDP deutlich schlechter ab als im Juni, schaffte es jedoch erneut knapp über die Zehn-Prozent-Hürde (59 Sitze). Die säkularistische Partei CHP erreichte als stärkste Oppositionskraft rund 25 Prozent (134 Sitze), die nationalistische MHP kam auf knapp zwölf Prozent (40 Sitze).

Erdogan sieht Wunsch nach Stabilität

Mit dem Wahlergebnis hätten die Wähler ihren Wunsch nach "Stabilität" deutlich zum Ausdruck gebracht, sagte Erdogan nach einem Gebet in der Istanbuler Eyüp-Sultan-Moschee. HDP-Chef Selahattin Demirtas bezeichnete die Wahl als "unfair", weil seine Partei wegen Anschlägen und der Gewalt im kurdischen Südosten keinen richtigen Wahlkampf habe führen können.

Der Konflikt der Regierung mit den Kurdenrebellen war nach der Wahl im Juni blutig eskaliert, der vor drei Jahren eingeleitete Friedensprozess kam abrupt zum Erliegen. Erdogan warf der HDP während des Wahlkampfs immer wieder zu große Nähe zur in der Türkei verbotenen kurdischen Untergrundorganisation PKK vor.

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), die gemeinsam mit den Beobachtern des Europarates und des Europaparlamentes einen Bericht über den Urnengang erstellte, kritisierte die Gewalt im Wahlkampf. Zudem sei durch das Präsidentenlager eine freie Medienberichterstattung behindert worden, erklärten die OSZE-Wahlbeobachter in Ankara.

Einen Tag nach dem Wahlsieg der AKP in der Türkei ist die Polizei erneut gegen eine regierungskritische Publikation vorgegangen. Zwei ihrer leitenden Redakteure seien am Montag festgenommen worden, berichtete die Zeitschrift "Nokta" auf ihrer Internetseite. Die aktuelle Ausgabe sei beschlagnahmt worden.

(APA)

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