Großbritannien: Labour auf dem Weg zur Auslöschung

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Regierungspartei fällt unter 16 Prozent der Stimmen. Der völlige Einbruch hat der Partei offensichtlich den Mut genommen, den ungeliebten Brown loszuwerden.

LONDON. Es ist eine Niederlage für die Geschichtsbücher: Bei der EU-Wahl hat die Labour Party mit 15,7 Prozent das schlechteste Ergebnis erreicht, seit sie in den 1920er-Jahren zur Massenpartei geworden war. Zudem fiel die Partei von Premier Gordon Brown hinter die EU-feindliche United Kingdom Independence Party (UKIP) auf den dritten Platz zurück.

Der völlige Einbruch hat der Partei offensichtlich den Mut genommen, den ungeliebten Brown loszuwerden. Ehe sich der Premier Montagabend der Parlamentsfraktion stellen musste, war bereits klar, dass die Rebellion der Vorwoche gegen ihn zusammengebrochen ist.

Die Details der Niederlage zeigen ihr historisches Ausmaß. Erstmals seit 1918 ging die Mehrheit in Wales verloren. In Cornwall landete die Partei auf dem sechsten Platz, in Südengland auf dem fünften. In Schottland verlor die Partei zum ersten Mal die Führung an die Schottische Nationalpartei. Und der Einbruch im Norden ermöglichte es der rechtsextremen British National Party (BNP), erstmals zwei Abgeordnete ins Europaparlament zu entsenden.

In der Partei macht sich Realitätsverlust breit. Vizeparteichefin Harriet Harman führte das „schreckliche“ Ergebnis auf den Spesenskandal im Unterhaus zurück. Dass die Konservativen vom Volkszorn aber relativ verschont blieben und aus der Wahl mit 27,7 Prozent als klare Nummer eins hervorgingen, erklärte sie mit den bizarren Worten: „Wir haben mehr verloren, weil die Leute von uns höhere Standards erwarten.“

Selbst ein besonnener Abgeordneter wie Denis MacShane reagierte auf den Parlamentseinzug der BNP mit den Worten: „Das zeigt die Nachteile des Verhältniswahlrechts.“ Die Europawahl wird auch in Großbritannien nach dem Verhältniswahlrecht ausgezählt, während das Land sonst am Mehrheitswahlrecht festhält.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.06.2009)

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