Geld, Freiheit, Digitalisierung: Die fabelhafte Schule

Seit mehr als einem Jahr heißt es: Bitte warten! Warten auf die von der Regierung versprochene Bildungsreform. Am 17. November soll diese präsentiert werden.
Interessenskonflikte, Unstimmigkeiten und Probleme zwischen den Parteien sowie Bund und Ländern gibt es zur Genüge. "Die Presse" hat das politische Gezerre nun einmal ausgeblendet – und sich ausgemalt, wie eine ideale Schule aussehen könnte.

Mit dem Lehrer – genauer mit seiner Eignung, Ausbildung und Motivation – steht und fällt guter Unterricht. Das ist auch der Gesellschaft bewusst. Lehrerbashing war gestern, heute werden Pädagogen wertgeschätzt. Das macht den Job wieder attraktiv – auch für die Motiviertesten und Besten unter den Schulabsolventen und die erfolgreichsten Umsteiger aus der Privatwirtschaft.
Die Universität kann die geeignetsten Lehrer aussuchen und ausbilden. Die Pädagogen sind von ihrem Fach begeistert und fachlich sattelfest. Sie wissen auch, wie man Kindern und Jugendlichen den Lernstoff vermittelt. Dafür haben sie unterschiedliche pädagogische Konzepte im Repertoire. Sie mögen aber nicht nur ihr Unterrichtsfach, sondern auch die Kinder. Und sie bilden sich gern und viel fort.
Die Schulen suchen sich die Lehrer selbst aus – und nehmen diejenigen, die zum Konzept und den Herausforderungen am Standort passen. In der Schule haben die Lehrer einen gut ausgestatteten Arbeitsplatz. Engagierten Lehrern zahlt der Direktor mehr. Zudem bietet er ihnen Aufstiegsmöglichkeiten. Wer seinen Job nicht zufriedenstellend erledigt, wird verabschiedet.

Die eine Schule spart beim Büropersonal und holt dafür einen zusätzlichen Deutschlehrer. Eine andere verzichtet auf Sozialarbeiter und bietet einen Leistungskurs an. Die nächste nimmt Geld in die Hand, um ihre Lehrer in interkultureller Kommunikation und Konfliktmanagement zu schulen. Und wieder eine andere bringt Küche, Garten und Werkstatt auf Vordermann, damit die Schüler sich kreativ austoben können.
Je nachdem, was Schüler und Schule gerade brauchen, kann die Schulleitung – mit einer Art Aufsichtsrat, in dem Lehrer, Eltern und Externe sitzen – entscheiden, wohin die (nicht zu knappen) Mittel fließen. Geld gibt es pro Schüler – für jene aus armen oder bildungsfernen Familien oder mit anderen Muttersprachen gibt es mehr. Direktoren sind echte Schulmanager, die ihre Freiheit auch nutzen. Und dafür sind sie ausgebildet.

Was müssen Schüler in der Schule unbedingt lernen? Was brauchen sie später? Was gehört unabdingbar zur Allgemeinbildung? Die Antworten auf diese Fragen sind die Basis für einen neuen, entrümpelten und modernen Lehrplan, oder besser gesagt, die Ziele, die erreicht werden müssen.
Die Schulen müssen sich nicht an ein Stundenkorsett halten. Es wird ihnen nicht vorgeschrieben, in welcher Schulstufe wie viele Stunden eines bestimmten Fachs gelehrt werden müssen. Sie haben die Chance, den Stundenplan während des Semesters zu verändern, Schwerpunkte zu setzen, neue Fächer einzuführen oder sie gar teilweise abzuschaffen. Das setzt voraus, dass Stundenpläne nicht streng an fixe Lehrerarbeitsstunden gekoppelt sind.
Die Freiheit braucht Kontrolle: Die Leistung der Schüler muss stimmen.

Eine Schülerin spricht noch nicht gut Deutsch, ist aber mathematisch begabt; ein anderer ist etwas langsamer, aber immer der Erste, der anderen hilft. Und alle werden individuell gefördert – egal, was auf dem Türschild des Schulgebäudes steht.
Schwächen werden frühestmöglich erkannt sowie verringert und Schüler bei ihren Stärken unterstützt.

Die Schule ist der Ort, an dem sich alle Kinder einer Gesellschaft treffen – inklusive unterschiedlichster Probleme. Die ideale Schule kümmert sich darum. Um gemobbte Jugendliche, verwahrloste Kinder und traumatisierte Flüchtlinge müssen sich freilich nicht allein die Lehrer kümmern.
Sie werden durch ein ganzes Team unterstützt. Einer Schule steht ein Pool an Psychologen, Sozialarbeitern, Logopäden, anderen externen Experten zur Verfügung – ständig oder vorübergehend, je nach Bedarf. Vorbei ist die Zeit, in der es wie in kaum einem anderen OECD-Land so wenig Schulpsychologen und Sozialarbeiter wie in Österreich gegeben hat. Auch bei administrativen Tätigkeiten werden Lehrer durch eigens eingestelltes Personal unterstützt. So können sie das tun, wofür sie ausgebildet wurden: lehren statt kopieren.

Im Leben der Schüler ist die Digitalisierung längst angekommen. Und jetzt auch in der Schule. Das Klassenzimmer hat sich umgedreht – nicht immer und überall, aber doch: Einiges von dem, was Lehrer früher frontal vorgetragen haben, lernen die Schüler heute per Video – ganz in ihrem eigenen Tempo. Im Unterricht wird nun das gemacht, was früher Hausaufgaben waren: Es wird geübt und vertieft.
Auch dabei hilft mitunter der Computer: Wie in einigen US-Schulen analysiert er etwa in Mathematik, wo es bei den einzelnen Schülern noch hapert, und erstellt für jeden ein eigenes Aufgabenpaket – ein individuelles Curriculum. Die Lehrer können sich auf ihren eigentlichen Job konzentrieren: auf das Lehren, das Erklären, die Beziehung zum Schüler und die Persönlichkeitsbildung.

Neun mal sieben Meter große Klassenzimmer, durch nackte Gänge verbunden: Danach sucht man vergeblich. Stattdessen gibt es Marktplätze, um die die Klassenzimmer angelegt sind, gepolsterte Nischen, in denen Schüler lesen, ihr Wissen vertiefen, in Gruppen arbeiten können – je nachdem, was sie tun sollen und wollen.
Für Frontalunterricht gibt es in der einen Schule ein Amphitheater, in der anderen einen Pavillon im sonst offenen Raum. Es gibt Bühnen, Küchen und Gärten.
Die Schulen zwingen aufgrund ihrer Architektur zu neuen Denkweisen. Der Raum ist – neben Lehrer und Mitschüler – der dritte Pädagoge.

Lehrer und Eltern haben dasselbe Ziel: Das Kind soll sich gut entwickeln – also (anwendbares) Wissen und soziale Fähigkeiten erwerben. Daran arbeiten Lehrer und Eltern gemeinsam. Sie sind ein Team, keine Konkurrenz. Dementsprechend werden Eltern nicht nur bei Problemen und an Sprechtagen in die Schule gebeten. Die Schule steht ihnen mehrmals pro Woche offen – zum gemeinsamen Kaffee und Frühstück.
Die Zeit dafür kann und will sich dafür freilich nicht jeder nehmen. Auch kein Problem. Schule und Eltern nützen die moderne Technik und kommunizieren via App oder Internet. Hier unterhalten sich Eltern und Lehrer über die Entwicklung des Kindes.

Berufstätige Eltern müssen weder die Großeltern um Hilfe bitten noch einen geeigneten Hort suchen. Ihr Kind wird, wenn Eltern das wünschen, am Nachmittag in der Schule bestens versorgt.
Alles beginnt mit einem günstigen, gesunden, ausgewogenen Mittagessen in der Schulkantine. Danach wechseln sich Unterricht, Lern- und Freizeit ab. Die Kinder erledigen also bereits in der Schule ihre Hausübung und bereiten sich auf den nächsten Test vor. Abseits des Unterrichts arbeiten Betreuer und Pädagogen mit den Kindern. Da für das Lernen eines Instruments und den Besuch eines Sportvereins nun kaum noch Zeit bleibt, werden Musiklehrer und Trainer in die Schule integriert.

Die Zeiten, in denen mit der Frage nach der Deutschförderung politisches Kleingeld gemacht wurde, sind vorbei. Sprache wird vom (verpflichtenden) Kindergarten an gefördert – und über die ganze Schulzeit hinweg nicht aus den Augen verloren.
Dafür gibt es genügend Geld und speziell ausgebildete Lehrer. Und auch andere Muttersprachen werden gefördert: Mehrsprachigkeit wird nicht als Problem gesehen – sondern als Ressource.