Warum das Gesundheitssystem zu teuer ist

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Das österreichische Gesundheitssystem ist noch immer viel zu spitalslastig. Das geht aus einem OECD-Bericht hervor. Schuld daran ist der Filz zwischen Krankenkassen und Bundesländern, sagt Gesundheitsökonom Pichlbauer.

Wien. Österreich gehört zu jenen Ländern mit den meisten Spitalsbetten. Dies geht aus einem Bericht der OECD hervor. Darin werden die Gesundheitssysteme in den Industriestaaten verglichen. Laut OECD hat Österreich pro tausend Einwohner um 60 Prozent mehr Spitalsbetten als der Durchschnitt aller OECD-Staaten. Die hohe Zahl der Spitalsaufenthalte (hier liegt Österreich sogar um 70 Prozent über dem OECD-Schnitt) lasse sich nicht durch die Bevölkerungsstruktur erklären, heißt es in dem Bericht. So haben skandinavische Länder wie Finnland und Schweden einen deutlich höheren Anteil an älteren Personen, trotzdem ist dort die Hospitalisierungsrate niedriger.

Mit 266 Spitalsentlassungen pro 1000 Einwohner in einem Jahr ist Österreich Weltspitze. „Die Spitalsentlassungen sind ein Gradmesser für die Effizienz“, sagt Gesundheitsökonom Ernest Pichlbauer im „Presse“-Gespräch. Denn hier werden alle Personen gezählt, die sich länger als 24 Stunden in einem Spital aufhalten und dieses lebend wieder verlassen. „Bei uns werden zu viele Menschen ins Spital geschickt. Damit steigen die Kosten. Weltweit geht der Trend in den Ausbau des ambulanten Systems“, so Pichlbauer.

Auch die OECD kritisiert, dass in Österreich der Anteil von ambulant durchgeführten Operationen niedrig ist. So werden in Österreich „derzeit praktisch keine Tonsillektomien (Entfernung der Mandeln, hauptsächlich bei Kindern) ambulant oder tagesklinisch durchgeführt, während solche Eingriffe in vielen anderen OECD-Ländern vorrangig als Tagesfälle behandelt werden“, schreibt die OECD. Die österreichische Gesundheitswirtschaft ist ein Milliardenmarkt. Zuletzt lagen die jährlichen Gesundheitsausgaben bei 34,8 Milliarden Euro. Der Großteil (38,8 Prozent) fließt in den stationären Bereich wie in die Spitäler. Nur 25,2 Prozent gehen in den ambulanten Bereich. Die Ausgaben für Arzneimittel liegen bei 12,2 Prozent. Der Rest entfällt auf Sonstiges wie Ausgaben für Langzeitpflege, Krankentransporte, medizinische Geräte, Verwaltung und vieles mehr. Pro Jahr steigen die Ausgaben um hunderte Millionen Euro.

(c) Die Presse

Spitäler als Spielwiese der Länder

„Seit Jahrzehnten wird die Spitalslastigkeit kritisiert“, sagt Pichlbauer. Doch abgesehen von kleineren Reformen habe sich nur wenig geändert. Schuld daran ist „der Filz zwischen Krankenkassen und Bundesländern“, so der Experte. Denn für die Spitäler sind in Österreich die Bundesländer zuständig. So hat etwa im heurigen Frühjahr kurz vor den Landtagswahlen Burgenlands Landeshauptmann, Hans Niessl (SPÖ), einen Ausbau des Krankenhauses in Kittsee angekündigt, obwohl sich nur zwölf Kilometer entfernt im niederösterreichischen Hainburg auch ein Spital befindet. „Hier bedarf es einer zentralen und österreichweiten Steuerung“, sagt Pichlbauer. Das nächste Problem sind die Krankenkassen. „Für sie ist es günstiger, die Patienten in die Spitäler zu schicken“, so der Gesundheitsökonom. Denn für die Spitäler zahlen die Krankenkassen nur einen kleinen Pauschalbetrag, somit müsse der Steuerzahler für einen Großteil der Kosten aufkommen. In den Krankenkassen haben die Sozialpartner (rote Gewerkschaften/Arbeiterkammern und schwarze Wirtschafts- und Landwirtschaftskammern) die Macht untereinander aufgeteilt. Pichlbauer: „Daher geht bei der Gesundheitsreform wenig weiter.“

Interessant ist laut OECD-Bericht, dass Österreich, neben Griechenland, weltweit Spitzenreiter bei der Zahl praktizierender Ärzte ist. Der von der Ärztekammer kritisierte Ärztemangel sei daher nur „virtuell“, so Pichlbauer. „Wir haben genug Ärzte, doch offensichtlich wollen viele Ärzte nicht im öffentlichen System arbeiten.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.11.2015)

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