Werner Faymann stellt sich erstmals nach der EU-Wahlschlappe der SPÖ der Öffentlichkeit. Ein Opfer werde es nicht geben, sagt er. Eine 45-minütige Selbstverteidigung.
WIEN. Niedergeschlagen wirkt er und jedenfalls ernst. Wenn es unangenehm wird, dann hebt er die linke Augenbraue ein Stück weit in die Höhe. Wenn es besonders unangenehm wird, dann tut sich zwischen den Augenbrauen eine tiefe Falte auf. Die Hände sind ein wenig zittrig heute, der Tonfall bewusst laut bis unterschwellig-aggressiv. Und allein ist er, denn der Vizekanzler weilt beim Ecofin-Rat in Luxemburg. Es ist Dienstag, Pressefoyer nach dem Ministerrat, und es ist sein erster öffentlicher Auftritt nach der EU-Wahl, die für die SPÖ einen desaströsen Ausgang nahm, nämlich: minus 9,5 Prozentpunkte.
Als Kanzler hat Werner Faymann schon bessere Tage erlebt.
Er spricht über Anti-Korruption und das Führerscheingesetz; über den globalen Friedensindex, der Österreich neuerdings Platz fünf bescheinigt. Und damit ist der SPÖ-Chef beim eigentlichen Thema angelangt. Denn mit dem nationalen Friedensindex – oder besser: dem seiner Partei – ist es dieser Tage nicht weit her. Also geht Faymann in Angriffspose, es ist eine 45-minütige Selbstverteidigungseinheit.
Ob die friedfertigen Zeiten in der Koalition nun vorbei seien, weil SPÖ-Granden allerorten eine Profilschärfung fordern? Er sei „keiner, der am Montag die Linie wechselt“, wenn das Wahlergebnis am Sonntag, nun ja, nicht entsprechend war, sagt der Kanzler etwas forsch.
Über die Ursachen für diese historische SPÖ-Schlappe lässt sich dafür trefflich streiten. Doch Faymann hat einen ziemlich genauen, wenn auch zweiteiligen Befund. Zum einen habe die SPÖ ihre Vorstellungen von Europa „nicht klar machen können“. Zum anderen sei „die organisatorische und inhaltliche Arbeit in der europäischen Sozialdemokratie verbesserungswürdig“. Dann wird der Kanzler selbstkritisch: Vielleicht habe auch er sich, gebeutelt von der Krise daheim, zu wenig in der EU engagiert.
Konsequenzen will er trotzdem keine ziehen. Oder jedenfalls keine personellen: „Das Wahlergebnis ist die Verantwortung der ganzen SPÖ. Wir sind eine solidarische Partei: Ein Opfer wird es nicht geben.“
Organisatorische Änderungen hingegen schon, und zwar in der Bundesgeschäftsführung. Sie werden heute, Mittwoch präsentiert, weil es „viel zu tun“ gebe in der SPÖ, sagt Faymann. Allerdings: „Wir werden uns jetzt nicht zerfleischen. Die Sozialdemokratie hat schon härtere Zeiten durchlebt.“
Dann steht er auf und steuert auf den Ausgang zu. Ins Bild passt, dass Michael Häupl, der Wiener Bürgermeister, ziemlich zeitgleich verlautbart, er halte Debatten über Kurs- und Obmannwechsel für „absurd“.
Werner Faymann wankt erstmals in seiner Kanzlerzeit, aber er fällt nicht. Jedenfalls jetzt noch nicht.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.06.2009)