Gesetz soll 38-Stunden-Woche für alle bringen

Wolfgang Katzian
Wolfgang Katzian(c) Michaela Bruckberger
  • Drucken

Vorstoß. Gewerkschafter Katzian fordert nach Jahrzehnten nun den Abschied von der 40-Stunden-Woche. Profitieren würden davon besonders Beamte und Vertragsbedienstete.

Wien. Genau 40 Jahre nach Einführung der 40-Stunden-Woche in Österreich kommt von Gewerkschaftsseite der Wunsch nach einer Verkürzung der Arbeitszeit nicht nur durch kollektivvertragliche Regelungen, sondern auch per Gesetz. Statt der nach wie vor geltenden maximal 40 Stunden pro Woche solle die Höchstgrenze „in einem ersten Schritt“ auf 38 beziehungsweise 38,5 Stunden heruntergeschraubt werden. Damit prescht Wolfgang Katzian, Chef der Privatangestelltengewerkschaft und der SPÖ-Gewerkschafter, im Gespräch mit der „Presse“ vor.


Kollektivverträge sehen teilweise bereits niedrigere wöchentliche Arbeitszeitobergrenzen vor: „Wir müssen auch auf gesetzlicher Ebene etwas tun.“ Eine gesetzliche Neuregelung käme vor allem Beamten und Vertragsbediensteten im öffentlichen Dienst zugute. Denn für diese große Bedienstetengruppe gilt nach wie vor die 40-Stunden-Woche. Damit gerät allerdings ein Eckpfeiler der Arbeitszeitregelungen in Österreich ins Wanken. Allein im Bundesdienst wären rund 130.000 Mitarbeiter betroffen. Katzian ist sich bewusst, dass man sich dabei angesichts „ausgetrockneter öffentlicher Haushalte“ schwertun werde. Man solle sich daher überlegen, dies von Bereich zu Bereich einzuführen.

Hohe Folgekosten für den Staat

Der Vorstoß für eine gesetzliche Senkung der seit 1975 allgemein geltenden wöchentlichen maximalen Normalarbeitszeit von 40 auf 38 Stunden birgt Sprengkraft. Denn die Umsetzung im gesamten öffentlichen Dienst würde Mehrkosten für den Staat in Milliardenhöhe zur Folge haben. Außerdem war der Abschied von der 40-Stunden-Woche bisher kein vorrangiges Ziel für den Vorsitzenden der Beamtengewerkschaft, Fritz Neugebauer. Katzian, der seinerseits Vorsitzender der größten Teilgewerkschaft im ÖGB, GPA-DJP, ist, begründet seine Forderung nach einer gesetzlichen Änderung damit, dass auch der Druck für eine weitere Verkürzung der Arbeitszeit auf Kollektivvertragsebene steigen würde.


Mit seinem Verlangen platzt der Privatangestellten-Gewerkschafter in die Gehaltsverhandlungen für den öffentlichen Dienst. Am Donnerstagabend stand die zweite Runde mit Kanzleramtsstaatssekretärin Sonja Steßl (SPÖ) auf dem Programm. Dort war das Ende der gesetzlichen 40-Stunden-Woche allerdings kein Thema. Aber auch bei der Gehaltsrunde gab es keine Einigung, schon nach eineinhalb Stunden wurden die Verhandlungen auf den kommenden Mittwoch vertagt.


Die Einführung einer 38-Stunden-Woche im öffentlichen Dienst würde das Bundesbudget massiv belasten. Nur im Bereich GPA-DJP würden nach Angaben der Gewerkschaften noch einige Berufsgruppen und Branchen von der gesetzlichen Einführung einer 38- statt einer 40-Stunden-Woche profitieren. Dazu zählten Angestellte im Allgemeinen Gewerbe, bei Freiberuflern, bei Speditionen oder im Hotel und Gastgewerbe.


Im öffentlichen Dienst ist der Vorsitzende der Gewerkschaft der Berufsbildenden mittleren und höheren Schulen, Jürgen Rainer, in der „Presse“ schon im März 2011 mit der 38-Stunden-Woche für Lehrer vorgeprescht.

„Über 30 Stunden Arbeitszeit reden“


Gewerkschaftspräsident Erich Foglar hat sich 2013 für eine branchenweise Verkürzung der 40-Stunden-Woche im öffentlichen Dienst starkgemacht, die unter anderem für Exekutiv- und Justizwachebeamte gelten sollte. Außerhalb von Gewerkschaftskreisen sorgte das jedoch für Kopfschütteln.


Bei der weiteren Verkürzung der Arbeitszeit mittels Kollektivvertrag lässt Katzian, der sich kommende Woche beim dreitägigen GPA-Bundesforum (Gewerkschaftstag) der Wiederwahl stellt, freilich ebenfalls nicht locker. Noch sei die 35-Stunden-Woche „die Messlatte“. Aber man werde künftig auch „über 30 Stunden reden“, ebenso über Freizeitblöcke als Option auch für Jüngere.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.11.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

File photo of an office in the HSBC building is seen with a light turned on, in the Canary Wharf business district of east London
Österreich

216.800 Österreicher arbeiten mehr als 60 Stunden pro Woche

In Österreich ist der Anteil der Menschen mit überlangen Arbeitszeiten größer als in Deutschland. Doch wer länger im Büro sitzt, ist nicht automatisch produktiver.
File photo of an office in the HSBC building is seen with a light turned on, in the Canary Wharf business district of east London
Österreich

216.800 Österreicher arbeiten mehr als 60 Stunden pro Woche

In Österreich ist der Anteil der Menschen mit überlangen Arbeitszeiten größer als in Deutschland. Doch wer länger im Büro sitzt, ist nicht automatisch produktiver.
Österreich

Arbeitszeiten werden 2016 ausgeweitet

Mitterlehner will zwölf Stunden pro Tag angehen.
POST / BRIEFTRAEGER
Innenpolitik

Höchstgericht: Ruhepause der Beamten ist bezahlte Arbeitszeit

Für alle österreichischen Beamten gilt nunmehr eine 37,5-Stunden-Woche. Ein beamteter Briefträger hatte dagegen geklagt, die halbstündige Pause in der Freizeit konsumieren zu müssen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.