Österreich muss seine Finanzen in Ordnung bringen, warnt die EU. Europas Wirtschaft werde 2016 um zwei Prozent wachsen, der positive Effekt der Migration sei aber klein.
Wien/Brüssel. Die Republik Österreich hat inzwischen fast 289 Mrd. Euro an Staatsschulden angehäuft. Das entspricht rund 39.000 Euro pro Bürger und einer jährlichen Belastung allein durch Zinszahlungen von fast acht Mrd. Euro. Die Staatsverschuldung Österreichs macht inzwischen mehr als 85 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung aus.
Grund genug für eine Rüge aus Brüssel. Es sei wesentlich, die öffentlichen Finanzen Österreichs gesund und nachhaltig zu gestalten, vor allem durch die Reduzierung der „hohen Staatsschuld“, sagte EU-Währungskommissar Valdis Dombrovskis am Donnerstag bei der Vorstellung der EU-Herbstprognose. Der Lette hat freilich leicht reden: Sein Heimatland ist mit nur 37 Prozent des BIPs verschuldet – und liegt damit sogar unter der magischen (und in Vergessenheit geratenen) Maastricht-Grenze von 60 Prozent.
Rang zwölf beim Budgetdefizit
Generell meinte Dombrovskis zur Lage in Österreich, dass sich nach einer relativ langsamen Erholung der Wirtschaft in den vergangenen Jahren nun ein Wachstum von 0,6 Prozent in diesem Jahr und eines von 1,5 Prozent 2016 sowie ein leichtes Absinken auf 1,4 Prozent 2017 ergebe. Aber selbst solche Prognosen sind mit Vorsicht zu genießen, weil es eben Prognosen sind.
Immerhin: Die Herbstprognose der EU-Kommission sagt Österreich für 2016 mit minus 1,6 Prozent ein deutlich niedrigeres Budgetdefizit voraus als noch in der Frühjahrsprognose mit minus zwei Prozent. Auch für das laufende Jahr wird das Haushaltsdefizit mit minus 1,9 Prozent demnach etwas geringer ausfallen als im Frühjahr mit ebenfalls minus zwei Prozent angenommen.
Mit einem erwarteten Budgetabgang von minus 1,6 Prozent im nächsten Jahr liegt Österreich auf Rang zwölf in der EU. Elf Staaten haben ein niedrigeres Defizit bzw. sogar einen Überschuss wie Deutschland und Luxemburg (je 0,5 Prozent), Estland (0,2 Prozent) oder Zypern (0,1 Prozent). Die höchsten Haushaltsabgänge weisen für 2016 Kroatien (4,7 Prozent), Griechenland und Spanien (je 3,6 Prozent) sowie Frankreich (3,4 Prozent) auf.
Diese vier Länder sind auch die einzigen, die das Maastricht-Kriterium eines Budgetdefizits von drei Prozent überschreiten. Paris hatte sich gegenüber den EU-Partnern verpflichtet, im übernächsten Jahr die Defizitgrenze von drei Prozent wieder einzuhalten. Dieser Zieltermin wurde allerdings bereits mehrfach verschoben. Großbritannien soll 2016 mit einem Defizit von drei Prozent genau an der Maastricht-Grenze liegen.
Griechenland bei 200 Prozent
Die Wirtschaftsleistung in der EU wird sich nach der Prognose der EU-Kommission für das laufende Jahr etwas verbessern, aber für 2016 gegenüber der Frühjahrsprognose leicht verschlechtern. Für die Eurozone werden kommendes Jahr nur mehr 1,8 Prozent anstatt der bisher prognostizierten 1,9 Prozent und für die EU zwei statt bisher 2,1 Prozent erwartet.
Keine Entwarnung gibt es für das krisengeschüttelte Griechenland: Das kratzt mit seinen Staatsschulden bereits an der 200-Prozent-Marke. In der Herbstprognose der Kommission wird für Athen im laufenden Jahr eine Erhöhung der Gesamtverschuldung auf 194,8 Prozent des BIPs und für 2016 sogar auf 199,7 Prozent vorhergesagt. 2017 soll es dann zu einem leichten Absinken auf 195,6 Prozent kommen.
Insgesamt fünf Staaten werden im kommenden Jahr noch über der 100-Prozent-Verschuldungsgrenze liegen. Es sind dies neben Griechenland noch Italien (132,2 Prozent), Portugal (124,7), Belgien (107,1) und Spanien (101,3 Prozent). Zypern muss heuer mit 106,7 Prozent Staatsschuld rechnen, 2016 soll es auf 98,7 Prozent sinken. Unter der Maastricht-Grenze von maximal 60 Prozent Staatsverschuldung liegen im nächsten Jahr elf Staaten.
Migranten bringen wenig
Es sind dies Estland (9,6 Prozent), Luxemburg (23,9), Bulgarien (32,8), Dänemark (39,3), Lettland (40,8), Rumänien (40,9), Tschechien (41,0), Litauen (42,9), Schweden (44,0), Polen (52,4) und die Slowakei (52,6 Prozent).
Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici erklärte bei der Präsentation am Donnerstag auch, dass es „erste Eindrücke“ zu den Folgen der aktuellen massiven Migrationsströme aus Asien und Afrika nach Europa gäbe. Die Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum seien gering, aber das BIP könnte „um 0,2 bis 0,3 Prozent bis 2017 steigen“, so der Franzose. (jil/ag.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.11.2015)