Kurden rüsten zur Befreiung der Jesidenstadt

An der Front im Nordirak Kurdistan Region Daquq haben kurdische Peshmerga Einheiten
An der Front im Nordirak Kurdistan Region Daquq haben kurdische Peshmerga Einheiten(c) imago/Sebastian Backhaus (imago stock&people)
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Kurdische Einheiten haben ihre Operationen in Nordiraks Jesidengebieten verstärkt. Sie wollen den Islamischen Staat (IS) aus der Stadt Sinjar vertreiben. Doch Rivalitäten zwischen Peschmerga und der PKK behindern die Offensive.

In langen Kolonnen sind Peschmergakämpfer der nordirakischen Kurdenregion in das abgelegene Gebiet vorgerückt. Sie bereiten sich darauf vor, der Extremistenorganisation Islamischer Staat (IS) einen schweren Schlag zu versetzen. Die IS-Jihadisten sollen endgültig aus den Sinjar-Bergen vertrieben werden, dem Siedlungsraum der religiösen Minderheit der Jesiden. Zigtausende Jesiden mussten im August 2014 vor dem IS aus dem Gebiet fliehen. Jesidische Männer wurden von den Extremisten ermordet. Tausende Frauen wurden verschleppt und versklavt. Viele von ihnen befinden sich nach wie vor in den Händen des IS.

Der Nordteil der Sinjar-Berge konnte mittlerweile dem IS entrissen werden. Nun soll die Rückeroberung des südliche Teils starten – vor allem der Stadt Sinjar, die zwischen kurdischen Einheiten und dem IS aufgeteilt ist. „Panzer und Soldaten der Peschmerga sind in Stellung gegangen und warten auf den Einsatzbefehl“, berichtet ein Jesidenvertreter aus Sinjar im Telefongespräch mit der „Presse“. Doch der Großangriff auf den Islamischen Staat verzögert sich.

Grund dafür sind innerkurdische Rivalitäten. „Es gibt Schwierigkeiten zwischen den Peschmerga der nordirakischen Kurdenregion und der Arbeiterpartei Kurdistans, der PKK“, schildert der Jesidenvertreter, der anonym bleiben will. „Die Peschmerga wollen nicht, dass die PKK an der Offensive gegen den IS teilnimmt.“ Wegen PKK-Truppenbewegungen haben die Peschmerga den Beginn ihres Einsatzes verschoben. Sollte die PKK erneut eine wichtige Rolle beim Kampf gegen den IS in Sinjar spielen, würde das ihre Ansprüche auf das Gebiet untermauern, fürchtet die Regierung von Nordiraks Kurdenregion. Sinjar oder Shingal – wie die Kurden die Gegend nennen – liegt außerhalb der offiziellen Grenzen der Kurdenregion, die im Irak weitgehende Eigenständigkeit genießt. Doch laut irakischer Verfassung soll der endgültige Status von Sinjar und anderen umstrittenen Gebieten erst geklärt werden. Die Kurdenregion will Sinjar an ihr Gebiet anschließen, da ja auch die Angehörigen der jesidischen Religion in Sinjar zu den Kurden zählen.

(c) Die Presse

Als im August 2014 der IS seinen Angriff auf die Jesiden startete, zogen sich die Peschmerga der Kurdenregion aber zunächst zurück. Nun rückten die PKK und die mit ihr verbündeten Volksverteidigungseinheiten der syrischen Kurden an, um einen Fluchtkorridor für die Jesiden freizukämpfen. Seither spielen PKK und Volksverteidigungseinheiten eine wichtige Rolle im Kampf gegen den IS in Sinjar. Im Dezember 2014 startete dann auch die Kurdenregion eine Offensive gegen den IS in Sinjar.

Jesiden zwischen den Fronten

Die lokalen jesidischen Milizen geraten im Machtkampf zwischen Peschmerga und PKK zwischen die Fronten. Ein Teil der Jesiden ist mit der PKK verbündet, ein anderer Teil hat sich den Peschmergatruppen der Kurdenregion unterstellt.

Sollten Peschmerga und PKK ihre Rivalitäten beilegen und gemeinsam vorrücken, könnte es für den IS rasch eng werden. Eine Rückeroberung der Stadt Sinjar und des Gebietes im Süden des Gebirges würde nicht nur die jesidischen Siedlungsgebiete befreien. Dabei würde der IS auch seine wichtigste Verbindungsstraße zwischen seiner Hauptstadt Raqqa in Syrien und seiner nordirakischen Hochburg Mossul verlieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.11.2015)

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