Neuer Streit um Flüchtlingspolitik in Deutschland

Thomas de Maiziere (CDU)
Thomas de Maiziere (CDU) APA/EPA/ARMANDO BABANI
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Deutschlands Innenminister De Maiziere will syrischen Bürgerkriegsflüchtlingen nur noch ein Jahr subsidiärer Schutz gewähren.

Nach seinem umstrittenen Vorstoß, syrischen Flüchtlingen den Familiennachzug zu verbieten, steht der deutsche Innenminister Thomas de Maiziere (CDU) in der Kritik. "Es reicht jetzt wirklich", sagte SPD-Vize Ralf Stegner am Samstag dem NDR mit Blick auf das Vorgehen des Ministers. Heftige Vorwürfe kamen auch von Grünen und Linkspartei. Aus der Union erhielt de Maiziere allerdings Unterstützung.

De Maiziere hatte am Freitag zunächst bestätigt, dass Bürgerkriegsflüchtlinge nur noch befristet auf ein Jahr sogenannter subsidiärer Schutz gewährt werden solle. Nach den Koalitionsbeschlüssen vom Donnerstag würde dies zugleich bedeuten, dass die Betroffenen den Anspruch auf Familiennachzug verlieren würden. Nach Kritik von SPD, Verbänden und Opposition und einem Dementi auch von Regierungssprecher Steffen Seibert war de Maiziere dann am Abend zurückgerudert und hatte mitgeteilt, die bisherige Praxis werde vorerst nicht geändert.

Stegner stellte erneut klar, dass die SPD ein Verbot des Familiennachzugs nicht mittragen werde. Er forderte de Maiziere auf, endlich bei der vereinbarten Verfahrensbeschleunigung "seine Arbeit zu tun". Die Frage, ob der CDU-Politiker als Innenminister noch tragbar sei, ließ Stegner offen: "Das muss die Bundeskanzlerin am Ende wissen."

Stöß: "Innenminister wirkt desorientiert"

"Der Vorgang ist beispiellos, der Innenminister wirkt zunehmend desorientiert", sagte der Berliner SPD-Landeschef Jan Stöß dem Berliner "Tagesspiegel" vom Samstag. Juso-Chefin Johanna Uekermann forderte im "Tagesspiegel am Sonntag" den Rücktritt de Maizieres.

Grünen-Chefin Simone Peter rief Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf, sich persönlich klar von dem Vorstoß de Maizieres für einen solchen "inhumanen Akt" zu distanzieren. Zugleich äußerte sie gegenüber der Nachrichtenagentur AFP den Verdacht, dass die Dementis eines Verbots des Familiennachzugs "nur eine vorübergehende Beruhigungspille" sein könnten. Peter äußerte auch Zweifel, ob tatsächlich sonst niemand in der Koalitionsspitze von de Maizieres Plänen gewusst habe.

Zweifel an einem Alleingang des Innenministers äußerte auch Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch. "Die Koalition hält an ihrer fatalen Grundhaltung fest, die eigentliche Not und die Lebensbedrohung, aus der die Menschen fliehen, nicht anerkennen zu wollen", schrieb Bartsch auf Facebook. Die Linken-Innenpolitikerin Ulla Jelpke forderte von Merkel die Entlassung des Ministers.

Mittel, um Familiennachzug zu begrenzen

Für ein Verbot des Familiennachzugs für syrische Bürgerkriegsflüchtlinge plädierte dagegen CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer. "Es muss der Status des sogenannten subsidiären Schutzes sein - das heißt zeitlich begrenzt und ohne Familiennachzug", sagte er der "Bild am Sonntag". Auch der CDU-Innenexperte Stephan Mayer lobte die Pläne in den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Onlineausgabe) als "das richtige Mittel, um einen millionenfachen Familiennachzug zu begrenzen". Der CDU-Außenexperte Jürgen Hardt argumentierte im Deutschlandfunk, viele Syrer seien nicht bedroht, sondern kämen aus sicheren Lagern in der Region.

Subsidiärer Schutz wird Menschen gewährt, denen kein individuell begründeter Flüchtlingsstatus zuerkannt wird, die aber zum Beispiel wegen einer Bürgerkriegssituation trotzdem vorerst ein Bleiberecht erhalten. Fast alle Syrien-Flüchtlinge erhalten bisher dagegen den höheren Flüchtlingsstatus auf Grundlage der UN-Flüchtlingskonvention.

(APA/AFP/Reuters/dpa)

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