Wenn nur noch Deppen Steuer zahlen

Die Registrierkassenpflicht ist in Ordnung. Aber nur, wenn ihr der Umbau des Steuersystems in Richtung Transparenz und Nachvollziehbarkeit folgt.

Zuerst: Steuerhinterziehung ist weder Notwehr noch Kavaliersdelikt, sondern ein ausgesprochen asoziales Verhalten. Sie führt dazu, dass sich die Steuerleistung auf immer weniger Steuerbürger konzentriert und diese dann logischerweise immer stärker belastet. Am Ende zahlen nur noch Deppen Steuer, und der Staat ist pleite. Das ist das Modell Griechenland.

Finanzminister Hans Jörg Schelling hat also recht, wenn er versucht, diesen Graubereich mit einer strengen Registrierkassenpflicht zu minimieren. Und wenn das Ergebnis (was viele allerdings bezweifeln) tatsächlich Mehreinnahmen von 900 Millionen Euro im Jahr ist, dann ist dieser Sektor in Österreich gar nicht so klein.

Allerdings haben auch jene recht, die jetzt aufschreien. Denn natürlich bringt die Registrierkassenpflicht beträchtlichen zusätzlichen bürokratischen und finanziellen Aufwand, der vor allem die Kleinen unverhältnismäßig trifft. Und diese fühlen sich nicht zu Unrecht schlecht behandelt, wenn sie der Finanzminister wegen ein paar schwarz verkaufter Maronistanitzel oder ein paar unter der Budel ausgeschenkter Schnäpse mit hohem technischen Aufwand verfolgt, während er internationale Konzerne ganz legal Milliardengewinne an den Steuerbehörden vorbei ins Steuerparadies transferieren lässt.

Das macht böses Blut. Ändert aber nichts daran, dass die augenzwinkernde Steuerschonung in einigen Branchen zum Geschäftsmodell geworden ist, dem sich auch Ehrliche nicht entziehen können. Denn die Kalkulationsbasis ist nun einmal der Preis der örtlichen Konkurrenz – und nicht die Summe der Kosten samt vollständig abgeführten Steuern.

Man muss nur schauen, wer jetzt am lautesten „Sauerei, der Schelling stellt uns unter Generalverdacht“ schreit, um zu ahnen, um welche Branchen es sich dabei handelt. Der niederösterreichische Landeshauptmann beispielsweise hat in einem Interview das „Ende der Wirtshauskultur“ an die Wand gemalt, wenn Wirte ihre Umsätze exakt mittels Registrierkassen dokumentieren müssen.

Schelling hat also doch recht. Aber er übertreibt schamlos. Die Umsatzgrenze von 7500 Euro im Jahr für Barumsätze (wozu beispielsweise auch solche mittels EC-Karte oder Kreditkarten fallen) ist zweifellos ein Witz. Wenn die Investition in ein brauchbares Registrierkassensystem einen halben Jahresumsatz verschlingt, ohne dass dadurch eine Steuerleistung ausgelöst wird (dazu ist der Umsatz nämlich zu gering), dann kann man darin beim besten Willen keine Verhältnismäßigkeit mehr erkennen.

Wie hier auf der Suche nach den letzten Steuereuros gepfuscht wird, sieht man auch bei den Bauern: In einem vernünftigen System würden sie natürlich gewinnbezogene Steuern wie alle anderen zahlen. Aber die meisten von ihnen zu pauschalieren – und ihnen dann parallel eine Registrierkasse auf den Hof zu stellen, wenn sie ein paar Speckseiten nicht ans Lagerhaus, sondern ab Hof den Nachbarn verkaufen – auf die Idee muss man auch erst einmal kommen.


Sagen wir es so: Der Finanzminister sollte mit aller Härte darauf achten, dass alle ihrer Steuerpflicht ohne Abstriche nachkommen. Das ist er denjenigen schuldig, die das jetzt schon tun. Er sollte aber auch darauf achten, dass bei den dabei notwendigen Maßnahmen die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleibt. Und er sollte vor allem zusehen, dass das Steuersystem samt dem bürokratischen Drumherum so gestaltet ist, dass Kleinunternehmer nicht an die Wand gedrückt werden.

Genau das fehlt aber. Eine strenge Verfolgung der Steuerhinterziehung mittels Registrierkassenpflicht wäre nämlich wesentlich leichter zu argumentieren, wenn man auf der anderen Seite ein transparentes, gerechtes und mit vernünftigen Steuersätzen ausgestattetes Steuersystem hätte. Aber auf Akzeptanz zu hoffen, wenn man nur versucht, aus einem Hochsteuersystem noch mehr für den nimmersatten Staatsapparat herauszupressen, ist ein bisschen blauäugig.

Kurzum: Eine – abgemilderte – Registrierkassenpflicht ist durchaus vernünftig. Aber nur, wenn sie der erste Schritt zur Schaffung eines gerechten Steuersystems ist.

E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.11.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Innenpolitik

Aufstand der Länder gegen Pflicht zu Registrierkassen

Nach dem Burgenland fordern auch Ober- und Niederösterreich eine Verdoppelung der Freigrenze.
Symbolbild Registrierkasse
Politik

Burgenland: Registrierkassenpflicht aussetzen

Die rot-blaue Landesregierung hält die Regelung für "überhastet". Sie solle so lange ausgesetzt werden, "bis eine vernünftige Lösung gefunden wird."
Politik

Registrierkassen: Pflicht für Ärzte

Der Erlass des Finanzministers wird am Freitag ausgeschickt. Die Neuerung trifft auch Freiberufler. Eine Straffreiheit bis Juli 2016 und „praxisnaher Vollzug“ sollen die Wirtschaft besänftigen.
Kassalade
Politik

Registrierkassen: Drei steirische Firmen gehen zu VfGH

Die Kleinunternehmer wollen eine Aufhebung der Pflicht, die ab 1. Jänner in Kraft tritt. Es fehle an Rechtssicherheit und Verhältnismäßigkeit.
Innenpolitik

Registrierkasse: Straffreiheit bis Juli

Finanzminister Schelling räumt Unternehmen eine Schonfrist bis zu sechs Monaten ein. Staatssekretärin Steßl sagt Gebührenrabatt bei elektronischen Anträgen zu.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.