Trauer um Helmut Schmidt: "Müssen jetzt erwachsen werden"

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Frankreichs Präsident Hollande würdigt den Verstorbenen als "großen Europäer". Und EU-Kommissionschef Juncker trauert um "einen Freund".

Quer durch alle politischen Lager wurde dem verstorbenen deutschen Altkanzler Helmut Schmidt am Dienstag Anerkennung gezollt. Der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck würdigte Schmidt als "einen der bedeutendsten deutschen Politiker der Nachkriegszeit". Gauck schrieb am Dienstag an Schmidts Tochter Susanne Kennedy-Schmidt: "In seinen öffentlichen Ämtern, ganz besonders als Bundeskanzler, hat Helmut Schmidt Großes geleistet. Mit den Tugenden, die ihn auszeichneten - Unabhängigkeit des Geistes, Mut und Pflichtbewusstsein - wird er auch künftigen Politikergenerationen ein bleibendes Vorbild sein."

"Seine Stimme hatte im In- und Ausland Gewicht, ein großer Staatsmann ist von uns gegangen", sagte Österreichs Bundespräsident. Schmidt sei "in schweren Stunden entscheidungsfreudig" gewesen, so Heinz Fischer, "und seine Handlungen waren von großem Verantwortungsbewusstsein und moralischen Kategorien geprägt." Der Bundespräsident sprach von "aufrichtigem Respekt gegenüber einem Mann, dessen Denken und Handeln für Deutschland, Europa und die Welt viel Nutzen gebracht hat."

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel, eine Christdemokratin, würdigte Schmidt als Vordenker der internationalen Zusammenarbeit. Auch lobte Merkel nach Angaben von Fraktionskollegen am Dienstag Schmidts Rolle bei der Etablierung der Weltwirtschaftsgipfel, seinen Kampf gegen den Terrorismus in Deutschland sowie seine Verdienste um den Nato-Doppelbeschluss.

EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker, wie Merkel ein Christdemokrat, würdigte Schmidt als herausragende Figur. "Er war ein Freund, der mir, ebenso wie Europa, fehlen wird. Denn mit ihm verlieren wir einen besonderen Menschen, dessen politischer Mut viele bewegt hat", sagte Juncker.

"Sein Tod ist eine Zäsur für Deutschland und Europa", sagte EU-Parlamentspräsident Martin Schulz in einer Stellungnahme am Dienstag in Brüssel. Mit Schmidt starb "ein herausragender deutscher Bundeskanzler, ein großer und kämpferischer Europäer und ein Mann, der die Sozialdemokratie in Deutschland und Europa wie kaum ein anderer geprägt hat", sagte Schulz. "Sein Wort hatte auch lange nach seiner Kanzlerschaft Gewicht. Bis ins hohe Alter war er ein wichtiger und gefragter Ratgeber, mischte sich in die politische Debatte ein, mahnte Reformen und Veränderungsbereitschaft in Deutschland und Europa an und scheute dabei keine kontroverse Debatte. Für meine Politikergeneration bleibt Helmut Schmidt eine Leitfigur wegen seiner Geradlinigkeit und Prinzipientreue", so Schulz.

Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann lobte Schmidt als "großen und prinzipienfesten Sozialdemokraten" und "Jahrhundertpolitiker". Sein Lebenswerk habe ihm über die Länder- und Parteigrenzen hinweg Achtung, Bewunderung und Anerkennung verschafft. "Mit Helmut Schmidt verliert die Sozialdemokratie einen großen Mitstreiter und ebenso wachen wie kritischen Geist, dessen Wortmeldungen, Kommentare und Bücher unverzichtbare Orientierungshilfe in einer zunehmend komplexer werdenden Welt waren", so der Kanzler. "Mit Helmut Schmidt verliert nicht nur die Bundesrepublik Deutschland, sondern ganz Europa einen großen Staatsmann. Er hat sich für ein geeintes Deutschland eingesetzt und gehörte zu den Mitbegründern und Verstärkern des europäischen Gedankens", sagte ÖVP-Bundesparteiobmann Reinhold Mitterlehner.

Anerkennung für Schmidts Lebenswerk kam auch von FPÖ und Grünen. Der blaue Parteichef Heinz-Christian Strache erklärte via Aussendung, er betrachte den deutschen Altkanzler als "einen bedeutenden Politiker mit Vorbildwirkung", der unangenehme Wahrheiten ausgesprochen habe. Grünen-Chefin Eva Glawischnig lobte Schmidt als "großen Befürworter eines vereinten Europa".

"Wir müssen jetzt erwachsen werden"

Die deutsche Wochenzeitung "Die Zeit" trauert um ihren langjährigen Herausgeber. "Wir, die ihn überlebt haben, müssen jetzt erwachsen werden. Ob wir es wollen oder nicht", sagte Chefredakteur Giovanni di Lorenzo am Dienstag in Hamburg. Der Geschäftsführer des Verlags, Rainer Esser, ergänzte: "Ich bin sehr glücklich, dass ich einen so klugen, liebenswürdigen und immer hilfsbereiten großen Mann über 16 Jahre regelmäßig treffen durfte. Wir werden ihn unendlich vermissen."

Als Herausgeber, zeitweise auch als Verleger und Geschäftsführer, habe Schmidt 32 Jahre lang über die Geschicke des Blattes gewacht, teilten Redaktion und Verlag mit. "Mit ungebrochener Schaffenskraft und nie versiegender Wissbegier hat Helmut Schmidt bis in seine letzten Lebenswochen an der Redaktionsarbeit Anteil genommen. Er hat sich lebhaft an unseren Konferenzen beteiligt, hat in unsere Diskussionen eingegriffen und Themen angeregt. Er hat nie aufgehört zu arbeiten und ist deshalb jung geblieben", schrieben die Blattmacher über den 96-Jährigen. "Sein kluges Urteil, seine Weisheit und seine Warmherzigkeit werden uns fehlen."

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