Spitzendiplomaten erinnern an Ruanda-Genozid 1994. Mord, Folter und Verhaftungen häufen sich laut UN in großem Ausmaß.
Genf/New York. Angesichts der eskalierenden Gewalt in Burundi warnen die Vereinten Nationen vor einem Blutbad in dem ostafrikanischen Land. Scott Campbell vom UN-Büro für Menschenrechte in Genf griff am Dienstag zu einem Vergleich mit dem Völkermord in Ruanda, um die Dramatik der Lage zu unterstreichen. „Wir sind heute noch schlechter aufgestellt, um auf die Warnzeichen reagieren zu können, als wir es 1994 waren“, sagte er mit Blick auf die Tatsache, dass der Genozid unter den Augen der Staatengemeinschaft stattgefunden hatte.
Mord, Folter und Verhaftungen häufen sich laut UN in großem Ausmaß. In der Nacht auf Dienstag informierte der Untergeneralsekretär für politische Angelegenheiten, Jeffrey Feltman, den Sicherheitsrat über die Lage und appellierte an die Mitglieder, eine weitere Eskalation zu verhindern. Der UN-Beauftragte für die Prävention von Völkermord, Adama Dieng, und Menschenrechtshochkommissar, Zeid Ra'ad al-Hussein, warnten beide vor einer Katastrophe. Dieng: „Wir müssen handeln, bevor es zu spät ist.“ Die Ex-Kolonialmacht Frankreich drängte auf Sanktionen.
Hutus und Tutsis
Burundi befindet sich in seiner schlimmsten Krise seit dem Ende des Bürgerkriegs 2005. Vergleiche zum Nachbarland Ruanda, wo 1994 extremistische Angehörige der Hutu-Mehrheit die regierenden Tutsis und moderaten Hutus massakrierten, werden auch deshalb gezogen, weil in beiden Ländern dieselben ethnischen Gruppen leben. Auslöser der Krise war die Weigerung von Präsident Pierre Nkurunziza, die Macht nach zwei Amtsperioden abzugeben. Seitdem geht die Regierung gewaltsam gegen die Opposition vor. Ein Ultimatum Nkurunzizas, bis Sonntag die Waffen abzugeben, ist verstrichen.
Mindestens 240 Menschen sind laut UN getötet worden. 210.000 Menschen sind seit März aus dem Land geflohen. Wenn die Krise weiter eskaliert, könnte eine Massenflucht auch in Europa zu spüren sein. Vor einem solchen Szenario warnten die UN am Dienstag schon mit Blick auf den Norden Nigerias: 2,5 Millionen Menschen sind dort von Boko-Haram-Milizen vertrieben worden. (ag./raa)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.11.2015)