Doping: Die Rolle des russischen Geheimdienstes

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RUSSIA-ATHLETICS-CORRUPTION-DOPING-IAAF-WADA-LABORATORYAPA/AFP/STRINGER
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FSB-Agenten waren häufig im Moskauer Anti-Doping-Labor anzutreffen, ein Report der Welt-Doping-Agentur berichtet von einer "Atmosphäre der Einschüchterung". Der Labor-Chef trat zurück.

Die Szenen könnten auch aus einem der frühen James-Bond-Filme stammen. Agenten des russischen Geheimdienstes gehen im Anti-Doping-Labor in Moskau ein und aus, hören Mitarbeiter ab und sorgen für eine "Atmosphäre der Einschüchterung". Doch all das ist real. Im aktuellen Report der Welt-Anti-Doping-Agentur wird die Einmischung der KGB-Nachfolgeorganisation FSB in den russischen Sport aufgezeigt.

Der am Montag veröffentlichte und mehr als 300 Seiten starke Bericht der WADA wirft ein schlechtes Licht auf die Position und den Einfluss des Inlandsgeheimdienstes FSB (Agentur für Sicherheit der Russischen Föderation) im russischen Sport. So habe es etwa wöchentliche Treffen des Leiters des Anti-Doping-Labors Grigorij Rodschenko mit einem Agenten gegeben. Details über die Rolle des Geheimdienstes liefert der Bericht freilich nicht.

Rodschenko erklärte übrigens in der Nacht auf Mittwoch seinen Rücktritt. "Er ist zurückgetreten, um alles Negative mitzunehmen", erklärte Sportminister Witali Mutko der Nachrichtenagentur TASS und setzte die Spezialistin Maria Dikunez als Nachfolgerin ein.

Der Skandal um das Moskauer Labor, dem die WADA bereits die Akkreditierung entzogen hat, dürfte noch weite Kreise ziehen. Es seien auch andere Länder und andere Sportarten als die Leichtathletik betroffen, heißt es in dem Bericht. Die IAAF untersucht nach eigenen Angaben vom August bereits seit April die Fälle von 28 Aktiven, deren Dopingproben der WM 2005 und 2007 bei Nachtests ein positives Resultat gebracht haben. Ergebnisse dazu wurden aber bisher nicht bekannt.

In dem WADA-Report wird geschildert, welchen "Einflussnahmen von außen" das Labor ausgesetzt war, in dem am Vorabend des angekündigten Besuches der WADA-Kommission 1.417 Dopingproben vernichtet worden seien. Neben dem FSB habe auch das Sportministerium mündliche Order gegeben. Der Kreml wiegelte am Dienstag freilich ab. Die Vorwürfe seien unbegründet und keineswegs durch Beweise erhärtet, hieß es.

Positive Dopingproben sollen aus dem Labor praktisch nie an den nationalen Leichtathletik-Verband oder den Weltverband (IAAF) gemeldet worden sein. Und wenn doch, dann konnten betroffene Aktive das Resultat mit Geldzahlungen an einen der beiden Verbände vertuschen, heißt es in dem WADA-Bericht. Acht Athletinnen oder Athleten sollen davon Gebrauch gemacht haben. Der bis August 2014 im Amt gewesene IAAF-Langzeit-Präsident Lamine Diack (82) wird von der französischen Justiz wegen Bestechlichkeit und Geldwäsche verfolgt.

"Ich glaube nicht, dass man mit Sicherheit sagen kann, dass es (in dem Labor, Anm.) keine Manipulation gegeben hat", drückte es Dick Pound, der Chef der WADA-Untersuchungskommission, kryptisch aus.

Frühere und aktuelle FSB-Mitarbeiter - auch Wladimir Putin war früher Direktor des FSB - nehmen laut Geheimdienst-Spezialist Andrej Soldatow, dem Herausgeber von "Agentura.ru", wichtige Positionen im russischen Sport ein. Der frühere FSB-Chef Nikolai Patrutschew hat Volleyball als Lieblingssport, Staatsgelder fließen daher großzügig. Bei Dynamo Moskau sitzt der aktuelle FSB-Chef im Verwaltungsrat und der Club-Präsident war in einer Division der FSB tätig.

Seit der Veröffentlichung des WADA-Berichts haben sich aber weder der Kreml noch das Sportministerium oder der FSB selbst zu dessen Einflussnahme auf den Sport geäußert. Nur der Direktor der russischen Anti-Doping-Agentur, Nikita Kamajew, warf auf einer Pressekonferenz diese Frage auf, zog die Sache aber ins Lächerliche. "Ich habe eine Tasche für meine Pistole und jeden Abend gehe ich in den Keller der Lubjanka (FSG-Sitz, Anm.)", sagte Kamajew. "Das alles ist großer Unsinn. Jene, die das glauben, wähnen sich in der Zeit von James Bond."

(APA)

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