"Dublin": Merkel wusste nichts von Kehrtwende in Asylpolitik

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Die Kanzlerin wurde über die Rückkehr zum Dublin-Verfahren für Syrer von ihrem Parteifreund und Innenminister nicht informiert. Eine Sprecherin beschwichtigt.

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und Flüchtlingskoordinator Peter Altmaier sind nicht über die Entscheidung informiert worden, bei syrischen Flüchtlingen wieder das Dublin-Verfahren anzuwenden. Diese Entscheidung sei in der Ressortverantwortung des Innenministeriums getroffen worden, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Wirtz am Mittwoch in Berlin. Das Ressort von Merkels CDU-Parteifreund Thomas de Maiziere hat die Kanzlerin also nicht informiert.

Vom Grundsatz sei die Anwendung europäischen Rechts nichts, "was in irgendeiner Form irgendeins der Kabinettsmitglieder überrascht hätte", so Wirtz. Die Entscheidung des Innenministers betreffe eine Verwaltungspraxis durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in der Ressortverantwortung de Maizieres, über die das Kanzleramt "nicht im Einzelnen informiert werden muss".

"Geht nicht darum jemanden rauszuschmeißen"

Die Rückkehr zu diesem Verfahren auch für syrische Flüchtlinge sei keine Abkehr von der "Willkommenskultur" der vergangenen Monate, so Wirtz. "Das hat nichts damit zu tun, dass in irgendeiner Form die politische Richtung sich geändert hat", sagte sie. Das europäische Recht sei sicher in einigen Punkten korrekturbedürftig, doch die bestehenden Regeln "gelten und sie sind nicht aufgehoben", so die Sprecherin. Es geht nicht darum, irgendjemanden rauszuschmeißen".

Nach der Dublin-Verordnung muss ein EU-Staat jeden ankommenden Flüchtling und Asylbewerber registrieren und seine Fingerabdrücke nehmen. Dann ist dieses Land, in dem der Migrant erstmals den Boden der Europäischen Union betreten hat, auch für den Asylantrag zuständig. Wird der Betreffende in einem anderen EU-Staat aufgegriffen, kann er von dort in das erste Land zurückgeschickt werden.

"Schwäche von Dublin III überwinden"

Die Dublin-Prüfung sei im vergangenen August für Syrer ausgesetzt worden, um "verfahrenstechnische Engpässe" beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zu überwinden, sagte ein Sprecher des deutschen Innenministeriums. Im Kompromisspapier der Koalitionsparteien zur Asylpolitik vom vergangenen Donnerstag heißt es: "Wir werden die Schwäche des Dublin-III-Verfahrens überwinden, das Europäische Recht weiterentwickeln und seine Durchsetzung sichern."

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(APA)

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