Lufthansa-Streik: Keine Einigung in Sicht

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GERMANY-AVIATION-STRIKE-LUFTHANSA(c) APA/AFP/BORIS ROESSLER (BORIS ROESSLER)
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Trotz eines Schlichtungsangebots des Konzerns geht der Tarifstreit weiter. Vor den Arbeitsgerichten konnte die Lufthansa nur Teilerfolge erzielen. In Österreich fehlt es an vergleichbarer Streiktradition oder -judikatur.

Frankfurt/Wien.„Damit gehen wir leider in den Tag“, sagte ein Lufthansa-Sprecher Mittwochmorgen. „Damit“, das sind 930 gestrichene Flüge an den Standorten Frankfurt, München und Düsseldorf und fast 100.000 betroffene Passagiere. Das ist das Mittwoch-Resultat des Arbeitskampfs der Flugbegleitergewerkschaft Ufo, die seit Freitag gegen Einschnitte bei der Betriebsfrührente protestiert. Auch heute, Donnerstag, bietet sich ein ähnliches Bild: 933 gestrichene Flüge, 107.000 betroffene Passagiere.

Airline-Chef Carsten Spohr betonte Mittwoch, die Auseinandersetzungen würden so lang ausgetragen werden wie notwendig. Früher sei der Konzern bei Streikdrohungen stets eingeknickt, bestimmte Organisationsprobleme seien nicht entschieden genug angegangen worden. Diese Vorgehensweise könne man sich angesichts der scharfen Konkurrenz auf dem Flugmarkt nicht mehr leisten. Doch, so Spohr einlenkend: „Jeder Streiktag ist einer zu viel.“ Und natürlich ende jede Verhandlung mit einem Kompromiss. Die Airline setzte Dienstag den ersten Schritt in diese Richtung und unterbreitete den Flugbegleitern ein Angebot für eine Schlichtung ohne Vorbedingungen. Das teilte der Konzern am Mittwoch mit. Die Gewerkschaft habe aber bislang nicht reagiert.

Ein Fall, zwei Meinungen

Die Lufthansa hatte zuletzt versucht, den Widerstand mit rechtlichen Mitteln zu unterbinden – mit gemischtem Erfolg. In Düsseldorf erklärte das zuständige Arbeitsgericht am Dienstag nach einer von der Lufthansa eingebrachten einstweiligen Verfügung den Streik am Flughafen Düsseldorf überraschend für rechtswidrig. Die Gewerkschaft habe ihre Streikziele nicht hinreichend bestimmt formuliert. Die Entscheidung des Gerichts bezog sich aber nur auf Düsseldorf und Dienstag. Der Konzern legte daraufhin einen weiteren Antrag nach, der die Ufo-Streiks bis inklusive Freitag anvisiert. Doch diesmal wies ihn das Arbeitsgericht ab. Anders als Dienstag ging der Entscheidung eine ausführliche mündliche Verhandlung voran, zu der der Ufo-Chef eigens angereist war.

In Darmstadt, wo die Lufthansa in der Nacht auf Mittwoch ebenfalls eine einstweilige Verfügung gegen die Streiks in Frankfurt und München eingebracht hatte, entschied das Gericht hingegen sogleich im Sinn der Gewerkschaft. Es befand die von den Flugbegleitern vorgebrachten Streikziele und -aufrufe für hinreichend bestimmt. Die Lufthansa prüft einem Konzernsprecher zufolge gerade, vor die zweite Instanz, das Landesarbeitsgericht Hessen, zu ziehen.

„Nichts Außergewöhnliches“

Thomas Angermair, Arbeitsrechtsexperte bei der Wiener Rechtsanwaltskanzlei Dorda Brugger Jordis, sieht in der divergierenden Rechtsprechung der deutschen Gerichte nichts Außergewöhnliches. „Es gehört zum Wesen erstinstanzlicher Gerichte, dass sie durchaus unterschiedliche Rechtsmeinungen haben können.“ Da in Österreich, mit Ausnahme Wiens, die Landesgerichte als Arbeitsgerichte fungieren, könne es auch hierzulande zu unterschiedlichen erstinstanzlichen Entscheidungen kommen, die teils auch erst vor dem Obersten Gerichtshof (OGH) geklärt würden.

Das Szenario einer einstweiligen Verfügung gegen Streikmaßnahmen sei aber für Österreich von geringer praktischer Relevanz, da es hierzulande zwar kein Streikverbot, aber auch kein verbrieftes Streikrecht gebe, „auch wenn dieser Irrglaube selbst von Betriebsratsspitzen vertreten wird“. Zudem fehle die Streiktradition wie -judikatur, denn: „Hierzulande wird eine Einigung schon im Vorfeld durch die starken Gewerkschaften erzielt.“

Doch gerade in so einem Konzern könne ein Streik Auswirkungen auf verbundene Unternehmen wie die Lufthansa-Tochter AUA haben. Hier stelle sich die Frage, ob das brave, arbeitswillige Personal in Österreich in dem Fall, dass es nicht arbeiten könne, seinen Entgeltanspruch verliere. Angermair entwarnt: Die herrschende Meinung lehne dies ab. (ag/loan)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.11.2015)

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