Bildungsreform: Heinisch-Hoseks (unerfüllbare) Wunschliste

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Am Dienstag wird die lang versprochene Bildungsreform präsentiert. Laut der Bildungsministerin soll sie nur ein "Startschuss" sein. Um pädagogische Inhalte will sie sich später kümmern.

Wien. Je näher der 17. November, der Abgabetermin für die Bildungsreform, rückt, desto rauer wird der Ton innerhalb der Koalition. Es ist – abgesehen vom Ausbau der Schulautonomie – noch lang nicht alles entschieden. Über die Verwaltung wird erbittert gestritten. „Wir haben noch ein schweres Wochenende vor uns“, drückt es Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) aus.

Deshalb freute sie sich am Dienstagabend wohl über einen leichteren Termin. Sie wollte mit drei Expertinnen und einer Handvoll Journalisten über die „Zukunft der Bildung“ – über pädagogische Fragen und ein modernes Bildungsverständnis – sprechen. Das Erschreckende: Die dabei formulierten Wünsche hatten vermutlich nur sehr wenig damit zu tun, was SPÖ und ÖVP am Dienstag als lang versprochene Reform des Bildungswesens präsentieren werden.

Das ist auch der Ministerin durchaus bewusst. Sie sieht das aber nicht als Versagen oder Eingeständnis, dass man sich trotz jahrelanger Diskussionen und einer einjährigen Verhandlungsdauer auf keinen großen Wurf einigen konnte. „Ich nehme zur Kenntnis, dass gewachsene Strukturen nicht sofort zerschlagen werden können. Aber wir können Dinge einfacher und günstiger organisieren“, so Heinisch-Hosek. Den 17. November sieht sie deshalb nur als Startschuss für eine Reform. Nach den momentanen organisatorischen Veränderungen (etwa mehr Autonomie für Schulen) werde man sich dann vermehrt um die Weiterentwicklung pädagogischer Inhalte kümmern.

In welche Richtung diese gehen soll? Es gibt kaum etwas, was die Bildungsministerin nicht verändern möchte – beginnend im Kindergarten. Dort brauche es nicht nur mehr, sondern auch universitär ausgebildetes Personal. Außerdem sollte der Übergang zwischen Kindergarten und Schule fließender sein. Das könnte bedeuten, dass die Einschulung nicht mehr an ein fixes Alter gebunden ist, sondern sich vermehrt an den Fähigkeiten eines Kindes orientiert. Generell soll im Bildungssystem häufiger jahrgangsübergreifend gearbeitet werden.

Auch in der Schule soll – wenn es nach dem Wunsch der Ministerin geht – kein Stein auf dem anderen bleiben. Sie möchte eine ganztägige Gesamtschule. Den Lehrplan würden sie ebenso gern komplett überarbeitet sehen. Vorstellbar ist dabei, dass eine externe Expertenkommission überlegt, welche Lerninhalte ein Schüler am Ende der Schulpflicht beherrschen sollte, und den Lehrplan danach ausrichtet. Die Expertenidee, allen Schülern nur noch abgespeckte gemeinsame Mindeststandards beizubringen und ihnen die Möglichkeit zu bieten, viel mehr nach ihren Interessen zu gehen, begrüßt die Ministerin: „Die Spezialisierung nach Interessen muss früher beginnen als in der Modularen Oberstufe.“

„Dienstrecht überdenken“

Selbst das Lehrerdienstrecht ist für sie nicht in Stein gemeißelt: „Das ist auch ein Startschuss, das Dienstrecht zu überdenken“, sagt die Ministerin und meint damit, dass bessere Möglichkeiten für Ein- und Umstiege in den Beruf geschaffen werden müssen. Man solle jedem Lehrer auch Entwicklungsperspektiven aufzeigen können.

Viele Ideen, die – mit wenigen Ausnahmen – eines gemeinsam haben: Sie sind nicht Teil der für Dienstag angekündigten „großen Bildungsreform“. Und einige davon mit ziemlicher Sicherheit auch nicht mit einem Koalitionspartner namens ÖVP umzusetzen. Die Ministerin ist dennoch zuversichtlich, die Reform nach und nach mit Inhalten füllen zu können. Bis Mitte 2016 möchte sie die ersten Gesetzesvorlagen einbringen, um im Herbst mit den Änderungen zu starten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.11.2015)

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