Ohne gemeinsame Lösung, "kann es schlecht für uns werden", sagt der deutsche Finanzminister. Eine SPD-Arbeitsgruppe will indes vorzeitig pensionierte Bundeswehrsoldaten und zivile Beamte reaktivieren.
Die anhaltende Flüchtlingsbewegung nach Deutschland und andere europäische Staaten kann sich nach Einschätzung des deutschen Finanzministers Wolfgang Schäuble (CDU) zu einer "Lawine" ausweiten. Ob diese schon im Tal angekommen sei oder im oberen Drittel des Hanges, wisse er nicht, so der Minister am Mittwochabend in Berlin. Die Zuwanderung sei jedenfalls ein "Rendezvous unserer Gesellschaft mit der Globalisierung". Den Druck der Migration könne Europa nur gemeinsam lösen. "Oder es kann ziemlich schlecht für uns alle werden", fügte Schäuble hinzu.
Unionsfraktionschef Volker Kauder bestritt unterdessen einen Kurswechsel in der deutschen Flüchtlingspolitik weg von einer Willkommenskultur. Kanzlerin Angela Merkel habe "seit langem eine klare Vorstellung, wie auf die Flüchtlingsbewegung zu reagieren ist, ohne dass es Deutschland langfristig schadet", sagte er der "Schwäbischen Zeitung". "Diese Punkte, die dafür notwendig sind, verfolgt sie konsequent." Grünen-Chef Cem Özdemir kritisierte Merkel hingegen: "Die ständigen Alleingänge von Innenminister Thomas de Maiziere zeigen: Die Kanzlerin kann ihre Richtlinienkompetenz nicht mehr ausüben. Angela Merkel ist die Kontrolle über die schwarz-rote Bundesregierung ebenso entglitten wie die über die CDU", sagte er dem Berliner "Tagesspiegel".
Der Hintergrund: Am Dienstag war bekannt geworden, dass Deutschland das zwischenzeitlich ausgesetzte Dublin-Verfahren zum Umgang mit Asylbewerbern wieder anwendet. Das bedeutet: Berlin will Asylbewerber wieder in diejenigen EU-Länder zurückschicken, über die sie in die EU eingereist sind. Ausnahme soll Griechenland sein. Auch beim Familiennachzug für Asylbewerber aus Syrien will zumindest die Union die Hürden erhöhen. Beim Koalitionspartner SPD gibt es Widerstand.
Pensionierte Bundeswehrsoldaten und Beamte reaktivieren
Eine Arbeitsgruppe der SPD-Bundestagsfraktion schlägt indes vor, vorzeitig in den Ruhestand versetzte Bundeswehrsoldaten und zivile Beamte zu reaktivieren. Die Flüchtlingshilfe durch die Bundeswehr werde "dauerhaft nur mit einem entsprechend temporär verstärkten Personalkörper funktionieren", heißt es in einem Positionspapier, aus dem die Zeitung "Die Welt" am Donnerstag zitierte. Statt aktive Angehörige der Bundeswehr für die Flüchtlingshilfe abzukommandieren, solle das "bisher nicht angetastete Reservoir an Fachkräften" für bis zu zwei Jahre wieder in Dienst gestellt werden.
Das Ministerium könne die Frühpensionisten per Weisung oder auf freiwilliger Basis wieder einsetzen. Genutzt werden könne außerdem der "Pool der Sprachmittler aus dem Einsatz in Afghanistan", da in den Erstaufnahmeeinrichtungen Dolmetscher gebraucht würden.
Das Verteidigungsministerium soll nach dem Willen der SPD nun zunächst prüfen, wer von den Beamten und Soldaten im vorzeitigen Ruhestand die nötige Qualifikation hat, um etwa bei der Bearbeitung von Asylanträgen zu helfen. Anschließend müsse ein Konzept für den Einsatz erarbeitet werden. Derzeit sind bereits tausende Bundeswehrsoldaten in der Flüchtlingshilfe aktiv. Der Bundeswehrverband befürchtet, dass darunter die Kernaufgaben der Truppe leiden.
(APA/dpa/AFP)