Das EZB-Gelddruckprogramm Quantitative Easing läuft erst seit wenigen Monaten- aber eine Ausweitung wird immer wahrscheinlicher. Möglicherweise schon im Dezember.
Frankfurt/Wien. Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank EZB, hat sich seinen Platz in den Geschichtsbüchern längst gesichert – und zwar mit seinem Versprechen aus dem Jahr 2012, er werde „alles tun“, um den Euro zu retten. Und tatsächlich hat der Italiener die Märkte bisher nicht enttäuscht.
Nachdem die Wirkung der verbalen Intervention zwei Jahre später nachgelassen hatte – und die EZB einer gefährlich fallenden Inflationsrate ins Auge blicken musste – setzte Draghi im Jänner dieses Jahres gegen den Widerstand vor allem Deutschlands ein Anleihenkaufprogramm in der EZB durch. Über sogenanntes Quantitative Easing werden seitdem 60 Milliarden Euro pro Monat in den Markt gepumpt.
Dieses Geld wird von der EZB frisch „gedruckt“ – und dann für Staatsanleihen und andere Wertpapiere ausgegeben. Es war ein geldpolitischer Tabubruch, denn Staatsfinanzierung durch die Notenpresse ist der EZB ausdrücklich verboten. Man sah allerdings keinen anderen Weg, die Märkte von der eigenen Entschlossenheit zu überzeugen. Trotzdem: QE war in der EZB so umstritten, dass man sich darauf einigen musste, die Käufe von nationalen Notenbanken durchführen zu lassen – damit es im Fall der Fälle nicht zu einer „Haftungsunion“ kommen kann. Nichtsdestoweniger wurde QE in der Jänner-Sitzung der EZB ohne formale Abstimmung beschlossen, wie aus den Protokollen der Zentralbank hervorgeht.
Eine paradoxe Situation
Seither sind einige Monate vergangen. Inflation und Kreditvergabe haben in der Eurozone ein bisschen angezogen – wobei völlig unklar ist, warum. War es QE? War es eines der vielen anderen Programme, die die EZB im Vorfeld aufgelegt hat? Oder hat die Entwicklung mit der Geldpolitik der Zentralbank gar nichts zu tun? Es ist eine paradoxe Situation. Draghi kündigte QE an, um die Inflation „anzukurbeln“ – nur um auf die besorgte Frage eines deutschen Journalisten zu antworten, dass man keine hohe Inflation befürchten müsse – weil die Erfahrungen mit QE aus Amerika zeigen würden, dass man so die Inflation gar nicht ankurbeln könne.
Wie dem auch sei, Draghi wird sich mit den bisherigen „Erfolgen“ des Gelddruckprogramms nicht zufrieden geben. Er kündigte am Donnerstag an, dass die EZB bei ihrer Dezembersitzung eine mögliche Ausweitung der Anleihenkäufe überlegen könnte. Wie diese aussehen könnte, ist allerdings unklar. Zwar versicherte Draghi, dass es den Notenbankern nicht an Papieren mangelt, die sie kaufen könnten. Aber die sich abzeichnende zunehmende Kreativität der EZB in Sachen Gelddrucken beweist das Gegenteil.
Bis die Inflation steigt
So berichtete die Nachrichtenagentur Reuters zuletzt unter Berufung auf Insider, dass die EZB den Kauf von Stadt- und Gemeindeanleihen überlege, um Geld in den Markt zu pumpen. Damit würde sich das Problem des Gelddruckens von Ländern auf Gemeinden ausweiten: Sie hätten weniger Grund zu sparen, wenn die EZB ihnen nicht nur direkt Geld gibt – sondern durch ihr Programm auch die Zinsen auf den den Märkten drückt.
Draghi selbst wollte am Donnerstag noch nicht einmal ausschließen, dass auch griechische Anleihen einmal Teil des Kaufprogramms sein könnten – er ließ aber offen, ob er damit Staats- oder Unternehmensanleihen meint. In jedem Fall scheint klar: Während die Welt sich auf eine Zinswende in Amerika vorbereitet, bleibt Europa noch lang auf einem Kurs des billigen Geldes. Zumindest so lange, bis die Inflation wieder deutlich zu steigen anfängt. (jil)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.11.2015)