Zehntausende im Norden des Landes vertrieben – Türkei verschärft Grenzkontrollen.
Ankara/Wien. Hilfsorganisationen warnen vor einer Zuspitzung der humanitären Lage in Syrien. Aufgrund der Kampfhandlungen und häufiger Bombardierungen habe sich die Lage der Zivilbevölkerung in vielen Teilen des Landes dramatisch verschlechtert. Im Norden Syriens seien in den vergangenen Wochen mehrere zehntausend Menschen von heftigen Kämpfen zwischen Regime und Rebellen vertrieben worden. In den von Gegnern der Regierung kontrollierten Vierteln der Großstadt Aleppo gibt es zudem seit mindestens zwei Wochen weder Strom noch Wasser. Die Menschen müssten auf Brunnenwasser zurückgreifen. Weiters berichteten Aktivisten, dass die Türkei die Grenzkontrollen verstärkt habe und kaum Menschen aus Syrien ausreisen könnten.
Auch südlich von Aleppo ist eine große Zahl von Menschen vor Kämpfen geflohen. Während das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR von einigen tausend Vertriebenen ausgeht, sprechen Aktivisten von mehreren zehntausend Flüchtlingen. Ein Arzt der Syrian American Medical Society (Sams), der die Region vor Kurzem besuchte, erklärte, die Menschen lebten auf freier Fläche in Zelten. Er beschrieb ihre Lage als „elendig“. Auch Krankenhäuser würden von der russischen Luftwaffe ins Visier genommen.
Fehlende UN-Finanzierung
Ein Plädoyer für eine Konfliktlösung kam am Tag vor Beginn der Wiener Syrien-Konferenz von der Sprecherin des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR, Melita Šunjić. Etwas Migrationsdruck könnte die EU aus der Region herausnehmen, wenn man die vier Millionen Flüchtlinge in den Nachbarländern Syriens, in der Türkei, im Libanon und in Jordanien, ordentlich versorgte. Dafür hätte UNHCR 2,33 Milliarden Euro pro Jahr veranschlagt – aber nur 40 Prozent davon bekommen. In Syrien selbst leben 6,3 Millionen Inlandsvertriebene. (ag./red.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.11.2015)