Wiens neue alte Stadtregierung

Die neue Wiener Stadtregierung wurde am Samstag offiziell aus der Taufe gehoben – mit bekannten Gesichtern, aber einer neuen Verteilung der Verantwortung.
Die neue Wiener Stadtregierung wurde am Samstag offiziell aus der Taufe gehoben – mit bekannten Gesichtern, aber einer neuen Verteilung der Verantwortung.(c) APA
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Rot-Grün II wurde am Samstag mit interessanten Personalentscheidungen aus der Taufe gehoben. Überschattet wurde alles aber von den Pariser Terroranschlägen.

Die tragischen Ereignisse von Paris überschatteten am Samstag auch die Neuauflage der rot-grünen Stadtregierung in Wien. Mit ernster Miene saß Bürgermeister Michael Häupl im Roten Salon des Rathauses und eröffnete das Gespräch mit den Worten: „Angesichts der entsetzlichen Ereignisse in Paris ist es undenkbar, einfach zur Tagesordnung überzugehen.“ Er habe seiner Pariser Amtskollegin kondoliert und ihr jede Hilfe angeboten, die sie benötige. Auch Maria Vassilakou meinte betroffen: „Dieser grausame Anschlag wirft einen langen Schatten auf Europa, die Demokratie und die Freiheit.“ Es bestehe die Gefahr, dass dieser Anschlag die Gesellschaft spalte und Fanatismus und Hetzern Vorschub leiste, so Vassilakou, die sich damit (wie Häupl) auf hasserfüllte und rassistische Internet-Postings gegen Muslime bezog.

Nach diesem ernsten Thema war zögerliches Lächeln angesagt. Michael Häupl nahm die Füllfeder, setzte seine Unterschrift unter das Papier und reichte es weiter an Maria Vassilakou. Damit wurde die Neuauflage der ersten rot-grünen Koalition Österreichs auf Landesebene besiegelt.Oxonitsch wird Klubchef. Über den Inhalt des Koalitionspakts hatte „Die Presse“ bereits in ihrer Samstagausgabe berichtet, nun wurden das neue alte Team und die Ressortverteilung präsentiert. Die Details: Maria Vassilakou bleibt Vizebürgermeisterin und Stadträtin für Verkehr und Stadtplanung. Bildungsstadtrat Christian Oxonitsch verlässt die Stadtregierung (nachdem die SPÖ bei der Wien-Wahl einen Stadtratsposten verloren hat) und wird SPÖ-Klubchef. Der bisherige Klubchef, Rudi Schicker, wird künftig für die internationale Vernetzung der Stadt zuständig sein. Die Agenden von Oxonitsch werden auf SPÖ-Stadträte aufgeteilt. Integrations- und Frauenstadträtin Sandra Frauenberger erhält die Bildungsagenden. Die Sportagenden von Oxonitsch wandern dagegen zu Kultur- und Wissenschaftsstadtrat Andreas Mailath-Pokorny.

Noch ungelöst ist der letzte Aufgabenbereich, den Oxonitsch betreut hatte: Wo der Presse- und Informationsdienst (PID) angesiedelt ist, also die finanziell äußerst gut ausgestattete Medienorgel der Stadt, darüber sind sich SPÖ und Grüne noch nicht einig. Fest steht nur, dass das höchste Inseratenvolumen Österreichs (das in der Vergangenheit oft kritisiert wurde, weil es großteils an Boulevardzeitungen ging, die sich daraufhin oft wenig kritisch zeigten) um ein Drittel gekürzt wird.

Umweltstadträtin Ulli Sima führt nun ein Ressort für technische Infrastruktur/Daseinsvorsorge. Das bedeutet: Neben den bisherigen Agenden (Wasserwerke, Müllabfuhr, Abwasser) erhält Sima nun auch die Wiener Stadtwerke. Laut Häupl würde damit die Daseinsvorsorge in einer Hand sein.

Während Michael Ludwig Wohnbaustadtrat bleibt, Sonja Wehsely Sozial- und Gesundheitsstadträtin, Renate Brauner Finanzstadträtin, gibt es eine Neubesetzung im Wiener Stadtschulrat. Den Job der amtsführenden Präsidentin, Susanne Brandsteidl, übernimmt Gemeinderat Jürgen Czernohorszky. Er gilt als äußerst Rot-Grün-affin, ist Bundesgeschäftsführer der Kinderfreunde und wurde von Christian Oxonitsch gefördert, der auch Vorsitzender der Kinderfreunde ist.Akkılıç geht leer aus. Leer ausgegangen ist Şenol Akkılıç, der mit seinem Wechsel von den Grünen zur SPÖ wenige Monate vor der Wahl die Änderung des Wahlrechts im Alleingang verhindert hatte. Er bekommt doch kein Mandat. Dafür zieht der rote Bundesgeschäftsführer, Gerhard Schmid, in den Gemeinderat ein: „Er wird in hohem Ausmaß wichtig sein als Verbindungsglied in die Bundespolitik“, erklärte Michael Häupl, der mit der Wiener SJ-Vorsitzenden, Marina Hanke (25), Jörg Neumayer (30) und SPÖ-Hoffnung Marcus Gremel (beide Junge Generation) und der bisherigen Neubauer Bezirksrätin Nina Abrahamczik neue Gesichter im Gemeinderat präsentierte.

Grüne Personaländerung. Bevor der rot-grüne Pakt unterschrieben werden konnte, musste Maria Vassilakou das Papier von der berüchtigten grünen Basis auf einer Sonderlandesversammlung absegnen lassen, bei der auch zentrale Personalentscheidungen anstanden. Diese begann in Anwesenheit von Bundessprecherin Eva Glawischnig ebenfalls mit einer Schweigeminute für die Opfer der Terroranschläge von Paris.

Die grüne Basis erteilte dem Koalitionspapier jedenfalls mit 93,23 Prozent ihren Segen. Das ist weniger als im Jahr 2010 bei der ersten Auflage von Rot-Grün, zeigt aber die grundsätzliche Zufriedenheit mit dem Papier. Deutlich weniger Zustimmungerhielt dagegen Maria Vassilakou, die vor der Wien-Wahl ihren Rücktritt im Fall von Verlusten angekündigt hatte, dann allerdings doch nicht zurücktrat. Bei der Wahl, wer Stadträtin der Grünen wird (Vassilakou war die einzige Kandidatin), verweigerten rund 25 Prozent der Basis ihr die Zustimmung.

Für rot-grüne Spannungen könnte nicht nur der Umstand sorgen, dass SPÖ und Grüne das Koalitionspapier zum Thema Lobau-Tunnel völlig unterschiedlich interpretieren, sondern auch eine grüne Personalentscheidung: Joachim Kovacs setzte sich bei einer Kampfabstimmung mit 56,90 Prozent gegen Georg Prack als neuer grüner Landessprecher durch. Kovacs gilt als deutlich SPÖ-kritischer als Prack, zum Beispiel forderte er im Zuge des rot-grünen Wahlrechtsstreits eine sofortige Beendigung der rot-grünen Koalition und mehr Härte gegenüber der SPÖ.

Fakten

Wien hat eine neue Stadtregierung. Der Koalitionspakt wurde am Samstag unterschrieben. Über den Inhalt berichtete „Die Presse“ ausführlich in der Samstagsausgabe.

Neue Gesichter gibt es in der Stadtregierung kaum. Christian Oxonitsch musste sie in Richtung SPÖ-Klub verlassen. Seine Agenden kamen zu Andreas Mailath-Pokorny (Sport) und Sandra Frauenberger (Bildung). Im Stadtschulrat löst Jürgen Czernohorszky Susanne Brandsteidl ab.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.11.2015)

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