Wenn der Fußball schlagartig zur Nebensache wird

TRAINING DES OeFB-TEAMS IN ORIHUELA BEI ALICANTE: ARNAUTOVIC
TRAINING DES OeFB-TEAMS IN ORIHUELA BEI ALICANTE: ARNAUTOVICAPA/ROBERT JAEGER
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Österreich möchte am Dienstag im Testspiel gegen die Schweiz das Länderspieljahr ungeschlagen beenden. Die Anschläge von Paris sind allgegenwärtig.

Wien. Die österreichische Nationalmannschaft ist nach ihrem einwöchigen Trainingslager in Spanien am Sonntagnachmittag in Wien-Schwechat gelandet. Mit an Bord des Charterfliegers aus Alicante waren immer noch die Gedanken an die Anschlagserie von Paris. Der Sport und die Gesellschaft dürfen sich dem Terrorismus nicht beugen. „Wir müssen alle zusammenhalten, alle stark sein und weiter Spaß am Leben haben“, sagte Marko Arnautović.

In der Nähe des Stade de France waren am Freitagabend drei Bomben detoniert, der Ausgang des Testspiels zwischen Frankreich und Deutschland (2:0) geriet angesichts dessen völlig in den Hintergrund. „Es ist natürlich schwer, so etwas zu hören und zu sehen“, sagte Arnautović, mit 26 Jahren mittlerweile zweifacher Familienvater. „Dass dort auch beim Stadion etwas war, gibt der Fußballwelt natürlich zu denken.“ Ein mulmiges Gefühl habe er deswegen aber nicht, wenn er am Dienstag im Länderspiel gegen die Schweiz im Wiener Ernst-Happel-Stadion den Rasen betritt. „Wenn ich auf dem Platz stehe, vergesse ich alles und versuche, meine Leistung zu bringen.“

Vorfreude getrübt

In sieben Monaten bestreitet das ÖFB-Team die EM in Frankreich. Ob Österreich auch Spiele in Paris zu bestreiten haben wird, zeigt sich im Rahmen der Auslosung am 12. Dezember ebendort. Die Sicherheitsbedenken seitens der Spieler halten sich trotz der jüngsten Ereignisse in Grenzen. „Die Leute, die dafür zuständig sind, werden sich das schon ausmachen, dass wir und die Fans und alle, die dabei sind, sicher sind“, meinte Arnautović.

Die Vorfreude auf die EM-Endrunde, für die sich Österreich erstmals auf sportlichem Weg qualifiziert hat, ist dennoch leicht getrübt. „Es drückt auf jeden Fall gehörig auf die Stimmung“, meinte Marc Janko, der sich inhaltlich aber Arnautović anschloss. „Ich habe vollstes Vertrauen, dass die französischen Behörden bis dahin vollste Sicherheit garantieren können.“ Auch im Teamcamp an der spanischen Mittelmeerküste konnte man sich den Ereignissen nicht entziehen. „In Zeiten wie diesen rückt der Sport in den Hintergrund, wenn man sich bewusst wird, wozu Menschen imstande sind“, erklärte Janko, mit 32 Jahren ältester Spieler im ÖFB-Aufgebot. „Das ist sehr, sehr tragisch und bedauerlich. Natürlich prägt das auch unser Dasein.“

Sich in solchen Zeiten hundertprozentig auf den Sport zu konzentrieren, sei schwer. „Aber es ist wichtig, dass man probiert, zur Normalität zurückzukehren, dass man sich dem Terrorismus nicht beugt und sich nicht in Angst zu Hause zurückzieht.“ Ansonsten würde man den Terroristen in die Karten spielen. „Und das wollen wir nicht tun.“ Arnautović forderte Zusammenhalt: „Es ist natürlich nicht nur für uns in der Fußballwelt schwer, es ist für die ganze Menschheit schwer. Da müssen wir stark sein.“

Die Serie des ÖFB-Teams

Für das letzte Länderspiel des Jahres gegen die Schweiz am Dienstag (20.45 Uhr, live in ORF eins) gilt es nun, den Fokus nicht zu verlieren, möchte man doch eine stolze Serie wahren. Seit dem 1:2 im Test gegen Brasilien am 18. November des Vorjahres ist das ÖFB-Team ungeschlagen, von bislang sieben Spielen 2015 wurden sechs sogar gewonnen. Zuletzt hatten die Österreicher vor 19 Jahren unter Teamchef Herbert Prohaska ein Kalenderjahr ohne Niederlage bestritten.

Von seinen Landsleuten sprach Teamchef Marcel Koller nur in den höchsten Tönen, der Respekt sei angesichts deren Erfolge in der jüngeren Vergangenheit groß. „Außer bei der EM 2012 waren sie zuletzt bei allen Turnieren dabei“, betonte Koller, der gestand: „Das ist eine Qualität, die Österreich noch nicht vorführen kann, die noch ein bisschen fehlt.“

Sollten Kollers Mannen gegen die Schweiz nicht verlieren, würde sich dies in der Fifa-Weltrangliste niederschlagen – dann würde man England überholen und auf Rang neun vorstoßen. (ag./cg)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.11.2015)

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