Koalition: Die nächsten rot-grünen Turbulenzen

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WIEN-WAHL: PK BGM. MICHAEL H�UPL (SP�)(c) APA/HANS KLAUS TECHT (HANS KLAUS TECHT)
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Nach dem Streit um den Lobau-Tunnel gibt es nun Diskussionen über angebliche Nebenvereinbarungen über Franken-Kredite, mehr Posten für Grüne und Inserate der Stadt.

Wien. Berichte über eine geheime Nebenvereinbarung zum rot-grünen Koalitionspakt sorgten am Dienstag für Turbulenzen. Das Ö1-„Mittagsjournal“ des ORF berichtete, SPÖ und Grüne hätten darin brisante Vereinbarungen zu den besonders heiklen Streitpunkten getroffen. Nämlich zu den umstrittenen Franken-Krediten, den Werbeausgaben der Stadt und diversen Postenbesetzungen bei den Firmen der Stadt Wien.

SPÖ und Grüne sollen laut Ö1 beschlossen haben, dass die Stadt ab 2016 aus den Franken-Krediten aussteigt. Brisant: Die Franken-Kredite (1,7 Milliarden Euro) sollen innerhalb von fünf bis sieben Jahren kursunabhängig (in Euro) konvertiert werden.

Schuldenstand würde steigen

Das bedeutet: Der Schuldenstand der Stadt würde damit um etwa 170 Millionen Euro steigen - womit sich die Situation der Stadt verbessert hat. Immerhin lagen die Buchverluste (nachdem der Franken-Kurs zu Jahresbeginn massiv gestiegen war) bei 300 Millionen Euro. Bisher hat Finanzstadträtin Renate Brauner (SPÖ) betont: Das seien nur Buchverluste, man rolliere die Franken-Kredite, bis sie bei einem günstigeren Kurs abgebaut werden können.

Als weiterer Punkt soll in der Nebenvereinbarung stehen: Die Grünen bekommen in den etwa 15 städtischen Unternehmen, die über Aufsichtsräte verfügen, entsprechende Aufsichtsratsposten. Das soll bis Ende des ersten Halbjahrs 2016 durchgezogen werden. Und: Die Inseratenausgaben der Stadt (ohne städtische Firmen) sollen um ein Drittel, also rund zehn Millionen Euro, reduziert werden.

Finanzstadträtin Brauner, zuständig für die Franken-Kredite, dementiert: „Es existiert kein Sideletter oder eine derartige Nebenvereinbarung“, richtet sie über einen Sprecher der „Presse“ aus. Es habe bereits vor der Wahl eine Abbaustrategie für die Franken-Kredite gegeben, diese werde mit den Grünen nun gemeinsam überarbeitet. Und Aufsichtsratsposten für die Grünen seien rechtlich nicht möglich.

Allerdings: Während seitens der Grünen am Dienstag (wegen zahlreicher interner Sitzungen) kein Statement dazu erhältlich war, sorgte der Bericht über nicht öffentliche Nebenabsprachen für Turbulenzen innerhalb der SPÖ: „Unter diesen Bedingungen hätten ich und auch viele andere dem Koalitionspakt sicher nicht zugestimmt“, erklärt ein SPÖ-Spitzenfunktionär der „Presse“: „Von derartigen Nebenabkommen war vor der Abstimmung über die Koalition keine Rede.“ Nachsatz: „Entweder das existiert nicht, oder wir sind vor der Abstimmung angelogen worden.“ Diese Punkte seien jedenfalls inakzeptabel.

Was nicht wenige in der Partei misstrauisch macht: Mit dem Ende der Koalitionsverhandlungen ist durchgesickert, dass sich Rot-Grün auf die Kürzung des Wiener Inseratenvolumens um ein Drittel geeinigt hat. Das wurde öffentlich nicht dementiert, entspricht einer grünen Forderung und soll sich nun in der dementierten Nebenvereinbarung finden – weshalb nicht wenige in der SPÖ verärgert meinen: Die Grünen hätten das Papier lanciert, um ihre Forderungen mit öffentlichem Druck doch noch durchzubringen. Unabhängig davon, was stimmt: Die rot-grüne Stimmung sinkt. Immerhin gibt es zusätzlich auch noch den rot-grünen Streit über den Lobau-Tunnel, der offen ausgetragen wird.

Bürgermeister Michael Häupl erklärt: „Der Lobau-Tunnel wird kommen.“ Seine grüne Vizebürgermeisterin, Maria Vassilakou, erwidert: „Der Lobau-Tunnel wird nicht kommen.“

Wer spielt auf der Medienorgel?

Nebenbei: Derzeit ist weiter unklar, welcher Stadtrat die finanziell äußert gut ausgestattete Medienorgel der Stadt erhält. Also den Presse- und Informationsdienst (PID), der bei Stadtrat Christian Oxonitsch angesiedelt war (er ist nun SPÖ-Klubchef). Häupl hat Oxonitschs Agenden gleichmäßig aufgeteilt, um kein Präjudiz bezüglich seiner Nachfolge bzw. keinen Stadtrat zu mächtig zu machen. Bildung ging an Integrationsstadträtin Sandra Frauenberger, Sport an Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny, Jugend an Gesundheits- und Sozialstadträtin Sonja Wehsely. Umweltstadträtin Ulli Sima erhielt die Stadtwerke von Finanzstadträtin Renate Brauner – weshalb manche im Rathaus meinen: Häupls Vertraute bekomme den PID als Kompensation für die Stadtwerke, damit wäre die Macht wieder gleichmäßig verteilt. Außerdem war der PID in der Vergangenheit bereits de facto bei Brauner (mit Duldung der damals zuständigen Stadträtin Grete Laska). Allerdings soll Häupl dem Vernehmen nach noch zögern und zuerst über eine strategische Ausrichtung des PID nachdenken.

Was die Sache verkompliziert: Der derzeitige PID-Leiter, Oliver Stribl, wechselt mit Jänner 2016 in die Privatwirtschaft. Und die Grünen wollen dem Vernehmen nach natürlich mitreden. Bei der Frage, welcher Stadtrat den PID bekommt. Und wer mächtiger PID-Chef wird.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.11.2015)

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