Wie man Flüchtlinge vor einer Radikalisierung bewahrt

(c) Clemens Fabry
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Experten empfehlen, islamische Kindergärten zu kontrollieren und Asylberechtigte in Wertekursen zu unterrichten.

Wien. Wie sollen Flüchtlinge in Österreich integriert, wie können sie von Islamisten ferngehalten, wie kann eine Radikalisierung verhindert werden? Um Antworten auf diese Fragen zu bekommen, hat Integrationsminister Sebastian Kurz im Sommer bei Heinz Faßmann, dem Vorsitzenden des Integrations-Expertenrates im Ministerium, eine Handlungsanleitung für die Regierung in Auftrag gegeben. Mittlerweile hat die Faßmann-Gruppe ihre Arbeit beendet, am Donnerstag wird sie ihren Integrationsplan anhand von 50 Maßnahmen vorstellen. Das Kapitel „Werte und Kampf gegen Radikalisierung“ liegt der „Presse“ vor. Eine Vorab–Zusammenfassung:

• Die Experten empfehlen, Kinderbetreuungseinrichtungen als erste Bildungsinstitution zu betrachten, insbesondere für Flüchtlingskinder. Dort könnten die Grundwerte des Zusammenlebens vermittelt und der frühe Kontakt mit der Bildungssprache gefördert werden. Kinder, die nicht Deutsch können, sollten zwei Jahre lang einen Kindergarten besuchen müssen.

Wobei auch die Einrichtungen verpflichtet werden sollten, ihre Weltanschauung darzulegen, und zwar schon bei der Gründung. Nur so, meint der Integrationsrat, könne sichergestellt werden, dass alle Kindergärten die verfassungsrechtlich verankerten Werte auch mittragen. Hintergrund: Das Ministerium schätzt die Anzahl islamischer Kindergärten (bzw. Tagesgruppen) allein in Wien auf 150. Es gibt aber weder ein Register für islamische Pädagogen in Kindergärten noch Nachweise ihrer Qualifikationen und Sprachkenntnisse.

Erste Aufschlüsse erwartet sich Kurz Ende des Jahres, wenn eine – von ihm beauftragte – Studie der Uni Wien ausläuft. Darin werden ausgewählte Kindergärten und Kindergruppen in Wien untersucht. Der Fokus liegt vor allem auf den Inhalten, die dort vermittelt werden.


• An den Schulen sollte Politische Bildung als Pflichtfach eingeführt werden, um das österreichische Verständnis von Demokratie und Menschenrechten explizit zu vermitteln. Ethische Fragen sollten, wenn schon nicht im Religionsunterricht, dann – verpflichtend – im Fach Ethik unterrichtet werden. Für jene Schüler, die radikale oder rassistische Tendenzen zeigen, schlagen die Experten „pädagogische Interventionsmaßnahmen“ vor und denken dabei an Sanktionen, etwa Dienste für die Gemeinschaft, die am Nachmittag absolviert werden müssen.

• In Wertekursen sollten Asylberechtigten die Grundwerte des Zusammenlebens vermittelt werden, von der Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen bis hin zu Umgangsformen. Man müsse ihnen klarmachen, „was die Gesellschaft von ihnen erwartet“, heißt es im Maßnahmenpapier.


• Außerdem sollte ein „Islam europäischer Prägung“ gefördert werden, ein Islam also, der im Einklang mit der Verfassung steht und die Lebenswelten der Muslime berücksichtigt. Wobei die Experten betonen, dass es den homogenen Islam ebenso wenig gebe wie die Muslime als homogene soziale Gruppe. In Österreich leben, gemessen an der Gesamtbevölkerung, sechs Prozent Muslime, mehr als die Hälfte davon sind Staatsbürger. Eine „innerislamische Debatte“ sei dringend nötig. Einen Beitrag dazu könnten etwa islamisch-theologische Professuren an den Universitäten leisten.

• Daneben müssten aber auch Organisationen mit islamistischem Hintergrund beobachtet werden, denn deren Ziel sei, Flüchtlinge für ihre Agenda anzuwerben.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.11.2015)

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