Keine Beweise, dass der Krieg gegen den Terror funktioniert

Gäbe es militärische Lösung für das Problem IS, wäre sie bereits umgesetzt.

Nach den Anschlägen in Paris erklärte Frankreichs Staatspräsident François Hollande, sein Land befinde sich im Krieg gegen den Terror. Aber ergibt es Sinn, den Kampf gegen die Barbarei und den Terrorismus des Islamischen Staates als Krieg darzustellen?

Amerikas Krieg gegen den Terror, den Präsident George Bush im September 2001 ausrief, hatte nur mäßigen Erfolg. Es war die mühsame Arbeit der Polizei und der Nachrichtendienste – nicht der Einsatz des Militärs –, die viele Anschläge verhinderte. Die militärischen Kampagnen in Afghanistan und im Irak lieferten zwar schnelle Erfolge – den Sturz der Taliban und von Saddam Hussein –, endeten aber in langwierigen Bürgerkriegen mit Opfern auf allen Seiten. Klare Sieger gab es nicht.

Die Jihadistenszene wuchert

Schlimmer noch: Der Krieg im Irak setzte die Ereignisse in Gang, die zum Entstehen des Islamischen Staates führten. Die konfessionellen Spannungen zwischen Schiiten und Sunniten, die die Gruppe so geschickt für die eigenen Zwecke nützt, sind letztlich ein Produkt des amerikanischen Eingreifens 2003 und der tragischen Kettenreaktion, die so in Gang gesetzt wurde.

Mehr als ein Jahrzehnt später gibt es mehr jihadistische Gruppen als je zuvor. Der Forscher Seth Jones vom amerikanischen Rand-Institut zählte im Sommer 2014 49. Seitdem sind laut Jones zehn Gruppen dazugekommen – darunter der Islamische Staat. Die Anzahl ihrer Kämpfer hat sich im selben Zeitraum verdoppelt und beträgt mittlerweile 105.000 – die meisten davon in Ländern des Arabischen Frühlings, wo es vor fünf Jahren noch Hoffnungen auf Freiheit und Demokratie gab.

Der Krieg der USA gegen den Terror ist also kein Beispiel, dem Frankreich folgen sollte. Dazu ist unklar, was genau ein solcher Krieg beinhalten würde. Schon heute ist Frankreich ja Teil der westlichen Kampagne gegen den IS, beteiligt sich an Luftschlägen, unterstützt die Kurden und hat Spezialkräfte vor Ort. Gäbe es für das Problem Islamischer Staat eine einfache – und rein militärische – Lösung, hätten die USA und ihre Alliierten sie bereits umgesetzt.

Luftschläge und andere kriegerische Mittel haben die Ausbreitung des IS zwar eingedämmt, ihn aber nicht besiegt. Militärische Mittel sind wichtig, aber nicht hinreichend. Jeder Beobachter weiß: Was fehlt, sind nicht Kampfjets, sondern ist politischer Wille – besonders bei der Türkei, die mit einem Dichtmachen ihrer Grenze nach Syrien dem Islamischen Staat größere Schwierigkeiten bereiten würde als französische Kampfjets.

Der Einzige, der aus einem Krieg gegen den Terror Kapital schlagen würden, ist der Islamische Staat selbst. Er will eine westliche Überreaktion und eine noch schärfere Konfrontation mit dem Westen. Hieraus entstünde eine Situation, in der sich der IS als Verteidiger der Muslime darstellt und so das Narrativ vom Kampf des Westens gegen den Islam noch stärkt. Die Konsequenz? Mehr Zulauf zum IS – und nicht weniger, sondern mehr Terrorismus.

Die Idee eines Kriegs gegen den Terrorismus klingt zwar stark und bringt Präsident Hollande bei einer trotzigen französischen Öffentlichkeit momentan Pluspunkte. Doch es gibt keine Beweise dafür, dass ein solcher Krieg tatsächlich funktioniert. Ganz im Gegenteil: Wer leichtfertig den Krieg erklärt, spielt am Ende möglicherweise dem Feind in die Hände.

Peter R. Neumann ist Professor für Sicherheitsstudien am King's College London und leitet das International Centre for the Study of Radicalisation. Er ist Autor des Buchs „Die neuen Dschihadisten: IS, Europa und die nächste Welle des Terrorismus“ (Econ, 2015). Auf der re.comm 15, dem Real Estate Leaders Summit, einem hochkarätig besetztem Forum für Topmanager der Immobilienbranche vom 18. bis 20. 11. in Kitzbühel, ist Peter Neumann einer von elf Gastrednern.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.11.2015)

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