Belgien erhöht Terrorwarnstufe und sagt Länderspiel gegen Spanien ab. Polizeigroßeinsatz im deutschen Alsdorf.
Paris/Wien. Ein paar Kilometer vom Problemviertel Molenbeek entfernt, in das nun die Spur des Terrors von Paris führt, breitet sich das König-Baudouin-Stadion aus. In der Sportstätte in Brüssel hätte sich Belgiens Fußballnationalmannschaft gestern Abend mit Europameister Spanien messen sollen. Vor 50.000 Zuschauern. Doch der Terror von Paris durchkreuzte die Pläne. Das freundschaftliche Länderspiel wurde abgesagt. Auf Bitten der belgischen Regierung.
Das Kabinett von Premier Charles Michel erhöhte zugleich die Terrorwarnstufe für Belgien auf drei – eine Bedrohung gilt danach als wahrscheinlich. Zumal Europas Sicherheitskräfte noch immer nach dem Pariser Attentäter Salah Abdeslam suchen, der „als sehr gefährlich“ gilt und „schwer bewaffnet sein könnte“: So steht es auf einem neuen Fahndungsfoto des 26-Jährigen mit dem gegelten schwarzen Haar und den braunen Augen. In der Terrornacht war Abdeslam den Ermittlern bei einer Kontrolle durch die Maschen gegangen. Das soll sich nicht wiederholen. Nun wird jeder Stein umgedreht, jedem Tipp aus der Bevölkerung nachgegangen.
Ein solcher Hinweis löste gestern einen Großeinsatz im deutschen Alsdorf aus. Die Mitarbeiterin eines Diskonters wollte den flüchtigen Terroristen im Ort gesehen haben, berichtet Spiegel Online. Gegen 9.30 Uhr früh erfolgt der Zugriff: Polizeiwagen versperren einem Pkw mit drei Insassen vor dem Jobcenter den Weg. Mit Maschinengewehren bewaffnete und mit Sturmhauben maskierte Spezialkräfte nehmen die drei Pkw-Insassen fest, bei keinem von denen es sich aber um Abdeslam handelt. Kurz darauf gibt es die nächsten vier Festnahmen in Alsdorf nahe Aachen. Ausgerechnet. Aachen im Dreiländereck Deutschland-Niederlande-Belgien gilt als Hochburg der Salafistenszene. Zunächst war aber unklar, ob es eine Verbindung zwischen den Festgenommenen – fünf Männern, zwei Frauen – und dem flüchtigen Attentäter gibt.
Zuvor hatte sich Abdeslams Fährte in Brüssel verloren. Dort haben ihn angeblich seine „Chauffeure“ abgesetzt. Denn mit Abdeslam saßen Mohammed Amri und Hamza Attouh in jenem grauen VW Golf, der auf dem Weg von Paris nach Brüssel in der Terrornacht bei Cambrai in eine Polizeikontrolle geraten war. Und wie Abdeslam wuchsen auch der 27-jährige Amri und der 21-jährige Attouh im Problemviertel Molenbeek auf. Amris Anwalt behauptet, sein Mandant habe an jenem Freitagabend einen Anruf von Amsalah erhalten. Der 26-Jährige habe diesen gebeten, ihn in Paris abzuholen. Also seien Amri und Atouh losgefahren. Über das Attentat habe Abdeslam auf der Rückfahrt kein Wort verloren, behauptet der Anwalt. Die Ermittler glauben das so nicht. Amri und Atouh – beide verhaftet – stehen im Verdacht, am Terroranschlag beteiligt gewesen zu sein.
Brüder betrieben Drogenbar
Gestern wurde ein neues Detail aus Abdeslams Leben bekannt: Der 26-Jährige hatte Berichten zufolge mit seinem Bruder Brahim (einem der Selbstmordattentäter) eine Bar in Brüssel betrieben. Anfang November wurde sie von den Behörden geschlossen. Wegen ausufernden Drogenkonsums im Lokal. Am 13. November fuhren die Brüder in einem Seat zu den Anschlagszielen, Cafés im zehnten und elften Pariser Stadtbezirk. Doch ein Augenzeuge will an jenem schwarzen Freitag noch einen dritten Mann in dem Seat gesehen haben, schreibt „Le Monde“ – und nährt damit Spekulationen, wonach ein weiterer Attentäter auf der Flucht sein könnte. (strei)
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.11.2015)