Wie schon im Vorjahr (1:2 gegen Brasilien) verlor Österreichs Nationalteam auch 2015 das letzte Spiel des Jahres. Auf sieben ungeschlagene Partien folgte ein 1:2 gegen die Schweiz.
Wenn im Wiener Ernst-Happel-Stadion vor einem Länderspiel der österreichischen Fußball-Nationalmannschaft der traditionelle Radetzky-Marsch ausbleibt, dann stimmt etwas nicht. Der Stadionsprecher bemühte sich redlich, doch die Stimmung auf den Rängen war eine andere, eine verhaltenere als sonst. Die Terror-Anschläge von Paris hatten auch auf das freundschaftliche Aufeinandertreffen zwischen Österreich und der Schweiz in Wien vier Tage darauf Auswirkungen. Die Sicherheitsvorkehrungen wurden massiv erhöht, die Eingänge streng kontrolliert. Metalldetektoren, Sprengstoffhunde – so droht der Fußball auch in Zukunft auszusehen.
Vor Spielbeginn ertönte also nicht der Radetzky-Marsch, sondern die Marseillaise, Frankreichs Nationalhymne. Sie wurde 1792 während der Kriegserklärung an Österreich verfasst, Dienstagabend trug sie eine gänzlich andere Botschaft. Nach einer Trauerminute wurde Fußball gespielt, immerhin standen sich mit Österreich (Nummer zehn) und der Schweiz (Nummer elf) zwei Mannschaften der erweiterten Weltspitze gegenüber.
Umstellungen, Probleme
Teamchef Marcel Koller wurde im letzten Spiel des Jahres zu Umstellungen gezwungen. Neben den rekonvaleszenten Robert Almer, Zlatko Junuzovic und Martin Harnik musste kurz vor Anpfiff auch der etatmäßige Stürmer Marc Janko passen, er klagte schon die vergangenen Tage über Nackenprobleme. Das Quartett wurde durch Ramazan Özcan, Jakob Jantscher, Marcel Sabitzer und Rubin Okotie ersetzt, Karim Onisowo und Florian Kainz gaben in der zweiten Halbzeit ihr Debüt im Nationalteam.
Für die Österreicher galt es, den Nimbus der Unbesiegbarkeit zu wahren, von den sieben bisherigen Spielen 2015 hatte man sechs gewonnen und einmal remisiert. Koller hatte vor seinen Landsleuten gewarnt, er sprach im Vorfeld von individueller Klasse und viel Erfahrung, die mitunter bei Großereignissen gesammelt wurde.
Wie von beiden Seiten erwartet entwickelte sich zunächst ein Duell auf Augenhöhe. Die Österreicher wussten in der Offensive durchaus zu gefallen, Jakob Jantscher setzte mit seinem Schuss ein erstes Zeichen (3.). Der Start in diese Begegnung misslang dennoch, weil auch ein David Alaba, den Bayern-Coach Pep Guardiola unlängst als „Gott“ bezeichnete, nicht frei von Fehlern ist. Eine Kopfballverlängerung des 23-Jährigen entpuppte sich als Auflage für den heranstürmenden Haris Seferovic, der Özcan problemlos bezwang (9.).
Die Wiedergutmachung Alabas ließ nicht lange auf sich warten, nur vier Minuten später traf er aus rund zehn Metern zum 1:1-Ausgleich.
Die Österreicher bemühten sich, ein Treffer von Okotie in der 23. Minute wurde fälschlicherweise wegen Abseits aberkannt. Unübersehbar aber blieben die Schwächen in der Rückwärtsbewegung sowie in der gesamten Defensive in Halbzeit eins. Nach Zuspiel von Inler in die Schnittstelle zwischen Dragovic und Hinteregger enteilte Shaqiri den beiden Verteidigern blitzartig, erst Özcan verhinderte Schlimmeres (24.). Der zweite Schweizer Treffer folgte in der 38. Minute: Mehmedis Flanke wurde genauso wenig unterbunden wie Seferovics Abschluss – ein kollektives Versagen der ÖFB-Defensive.
Unbelohnte Mühen
Die Österreicher stemmten sich vehement gegen die erste Niederlage seit 364 Tagen (1:2 gegen Brasilien). Halbzeit zwei glich einem rotweißroten Sturmlauf. Alaba (55.), Arnautovic (67.), Hinteregger (67.) und Ilsanker (73.) kamen dem Ausgleich nahe, doch er fiel nicht. Auch Österreichs Nationalteam kann noch verlieren.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.11.2015)