Buchs, Baum und Johann Strauss

Eine Wiener Studie widmet sich der sinnlichen Stadtlandschaftsanalyse.

Das war ja fast klar: Die Pflanzen, die in einer Umfrage als typisch wienerisch bezeichnet wurden, stammen aus der Türkei. Flieder und Rosskastanie wurden mit großem Abstand auf die ersten beiden Plätze gewählt – und beide wurden ursprünglich aus der Türkei importiert. „Türkischen Holler“ nannte man den Flieder deswegen zunächst.

Die Designforscherin Ruth Mateus-Berr von der Universität für Angewandte Kunst hat sich für ein Forschungsprojekt mit Unterstützung des Wiener Wissenschafts- und Technologiefonds WWTF auf die Suche nach der Identität von Wiens Gärten begeben und dazu Landschaftsplaner befragt. Dabei standen explizit auch die haptischen und olfaktorischen Komponenten im Vordergrund. Landschaftsanalyse mit Nase und Händen, quasi. Welche Pflanzen könnten aufgrund ihrer Oberfläche oder ihres Geruchs die Freiräume in Wien verbessern? Welche sinnlichen Vorlieben haben die Wiener überhaupt in Sachen Gartengestaltung? Und wie wichtig sind den Auftraggebern die sinnlichen Qualitäten? Zum Teil ernüchternd waren die Ergebnisse. Für öffentliche Auftraggeber sind, wenn überhaupt, gerade einmal Areale bei Kindergärten oder Spitälern haptisch interessant. Viel mehr zählen günstige Finanzierung oder einfache Pflege. Bei privaten Auftraggebern hingegen besteht größeres Interesse an Gestaltung, die Geruchs- und Tastsinn miteinbezieht.


Sinnliche Aussagen. Pflanzen, die für Hände oder Füße interessant sind, weil sie spannende Oberflächen oder eine Struktur haben, die eines zweiten Blicks bedarf, sind laut den befragten Landschaftsplanern vor allem Buchs, Gräser oder Baumrinden. Unbeliebt aufgrund ihres Geruchs oder ihrer Haptik sind etwa die Berberitze oder der Weißdorn. Auch nach den Materialien für Geländer, Bänke, Wege oder Zäune fragte Mateus-Berr auf der Suche nach sinnlichen Aussagen. Glas meide man wegen seiner zu glatten Oberfläche, Kunststoff könne keine Patina entwickeln, Metall empfinde man in der Gartenmöblierung als zu kalt.

Als Nonplusultra der Gartenidentität scheint übrigens die Johann-Strauss-Statue zu gelten: Sie dient den „Wiener Gärten im Ausland“ eifrig als Kopiervorlage. Ob im Simmeringer Garten in Beijing-Chaoyang, im Johann-Strauss-Garten in Kunming, China, oder im Expogarten in Osaka: Der Komponist ist in Gold oder Weiß stets vertreten. Aber bitte nicht berühren!

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.06.2009)

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