Heimat bist du großer Talente? Nicht mehr

(c) FABRY Clemens
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2006 war Österreich das weltweit beste Pflaster für talentierte Fachkräfte. Heuer reicht es im Ranking der IMD Business School nur für Platz 19.

Wien/Lausanne. Kaum zu glauben: Es ist noch nicht lange her, nämlich neun Jahre, da galt das kleine Österreich als das weltweit attraktivste Land für talentierte Fachkräfte. Dass die Sektkorken 2006 nicht knallten, lag nur daran, dass die Business School IMD ihre Ergebnisse damals noch nicht veröffentlichte. Das macht die Elite-Uni in Lausanne erst seit dem Vorjahr. Und mittlerweile ist der Glanz verblasst: Bis 2009 hielt sich die Alpenrepublik wacker im Spitzenfeld, zwischen Rang drei und sechs. 2014 reichte es nur noch für Rang elf. Im nun veröffentlichten „World Business Talent Report 2015“ stürzt Österreich um acht Plätze ab, auf Platz 19 von 61 Staaten (siehe Grafik). Was ist da passiert?

Die Autoren untersuchen, wo es die attraktivsten Bedingungen bei Ausbildung und Arbeitsmöglichkeiten gibt. Sie bündeln ihre Faktoren in drei Gruppen. Bei der ersten geht es um Investitionen in die Ausbildung. Hier mischt Österreich weiter ganz vorn mit: Platz drei. Besonders gelobt werden die hohen Ausgaben pro Schüler, das System der Lehrlingsausbildung und das Mitarbeitertraining. Schon weniger gut sieht es in der zweiten Gruppe aus, der Anziehungskraft als Arbeitsplatz. Da ist Österreich seit fünf Jahren nur mehr mittelmäßig – aktuell mit Rang 22. Dabei kann man es hier sehr gut aushalten (drittbeste Lebensqualität). Die Lebenshaltungskosten sind zwar hoch, aber die Gehälter kompensieren das gut. Ein Riesenproblem ist hingegen die Steuerbelastung: Mit einer effektiven Einkommensteuer von 29,5 Prozent des Pro-Kopf-BIPs landet Österreich auf dem vorletzten Platz. Auch scheinen sich die Unternehmen nicht genug zu bemühen, Talente anzuziehen und im Haus zu halten. Was wiederum dazu führt, dass zu viele gut qualifizierte Österreicher das Land verlassen.

So richtig verdunkelt sich der Himmel aber erst bei der dritten Kategorie. Sie misst, wie gut die Fähigkeiten den Anforderungen der Wirtschaft entsprechen. Bei dieser Paxistauglichkeit landet Österreich nur mehr auf Rang 29. In manchen Details sieht es noch düsterer aus: bei der Verfügbarkeit von Facharbeitern, Finanzfachleuten und Naturwissenschaftlern, aber auch der Kompetenz des Managements. Die Werte legen also nahe: Wir geben zwar viel Geld für Bildung aus, unterrichten aber am Markt vorbei – wirtschaftlich eine glatte Fehlinvestition.

Die schlechte Stimmung spielt mit

Hier ist ein leiser Verdacht am Platze. Denn noch 2010 war Österreich bei der Praxistauglichkeit Zweitbester. Es ist kaum anzunehmen, dass sich die Qualität objektiv so schnell verschlechtert (oder andere Länder sich so schnell verbessern). Plausibler ist, dass Österreich sich auf neue Anforderungen wie die digitale Revolution nicht schnell genug einstellt. Vor allem aber: Die IMD-Ökonomen kombinieren volkswirtschaftliche Daten mit einer Befragung von 4000 Führungskräften. Während in der Kategorie „Investitionen“ harte Zahlen dominieren, beruht die „Praxistauglichkeit“ fast nur auf dieser Umfrage. Und hier spielt die Stimmung herein: Die Manager sind auf Österreich zurzeit nicht gut zu sprechen, weil sie sehen, wie das Land an Wettbewerbsfähigkeit verliert (auch dazu gibt es ein bekanntes IMD-Ranking). Studien-Koautor José Caballero bestätigt im Gespräch mit der „Presse“: „Wenn es an Optimismus fehlt, sind auch die Umfragewerte schlechter.“ Dennoch ist das Ergebnis ernst zu nehmen: Solange das Umfeld passt, können Unternehmen mit „Rohdiamanten“ aus Mittelschule und Uni leben, die sie erst im Haus zuschleifen müssen. Werden die Zeiten härter, fehlen dazu Geld, Zeit und Wille – was auf Österreich zurückfällt.

Von den Besten lernen heißt wieder einmal: sich an der Schweiz und Skandinavien orientieren. Aber auch an Deutschland (Platz sieben): Der große Nachbar hat ein ähnliches Problem mit der mangelnden Praxistauglichkeit seiner Ausbildung. Aber die Wirtschaft ist dort noch dynamisch genug, um damit viel besser klarzukommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.11.2015)

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