Die Geiselnahme in einem Luxushotel in Bamako zielt – wieder – auf die Ex-Kolonialmacht Frankreich und ihre Verbündeten. Der Angriff zeigt, wie groß der internationale Radius der Terroristen ist.
Bamako/Wien. Die Angreifer kamen in einem Diplomatenwagen. Ein Blick auf das Kennzeichen reichte, und die Wachmänner öffneten ihnen das Tor. Kaum auf dem Gelände, eröffneten die Terroristen das Feuer. Wild um sich schießend und „Allahu Akbar“ rufend stürmten sie in das luxuriöse Radisson Blu Hotel in Malis Hauptstadt Bamako und brachten rund 170 Menschen in ihre Gewalt, 140 meist ausländische Gäste und 30 Angestellte.
Eine Woche nach den Terrorattacken in Paris sind Malis Ex-Kolonialmacht Frankreich und ihre Verbündeten damit erneut zum Ziel eines Anschlags geworden. Das Hotel im Westen der Stadt wird von Ausländern aufgesucht – ihnen galt offenbar die Attacke. Unter den Geiseln waren neben Franzosen und Amerikanern auch Chinesen, Inder, Türken, Algerier – keine Österreicher. Nur wer Koranverse zitieren konnte, durfte gehen.
Malische Spezialeinheiten stürmten das Hotel, rückten Stockwerk für Stockwerk vor, lieferten sich Feuergefechte mit den Terroristen. Auch Frankreich entsandte Spezialkräfte. Nach mehreren Stunden konnte ein Großteil der Geiseln befreit werden. Bis zuletzt verschanzten sich einige Geiselnehmer im obersten Stockwerk des Gebäudes. Wie viele Menschen umkamen, war lange unklar: mindestens 27, hieß es von Seiten der UNO.
Sicherheitskreisen zufolge hatten bis zu zehn Terroristen angegriffen. Zu dem Anschlag bekannten sich dann gleich zwei Gruppen: die al-Qaida-Gruppe al-Mourabitoun und die al-Qaida im Islamischen Maghreb, kurz AQIM, die im Norden Malis agiert. Anhänger der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) bejubelten im Internet die Aktion.
Frankreich hatte islamistische Extremisten in Mali 2013 mit einer Militäroffensive zurückgedrängt. Vor allem im nach wie vor instabilen Norden häufen sich seit Monaten jedoch die Übergriffe auf UN-Blauhelmsoldaten, die für Sicherheit sorgen sollen. Auch Österreich hat seine Beteiligung an der Mission angekündigt, im Rahmen eines EU-Einsatzes sind knapp zehn österreichische Soldaten zudem bei Bamako stationiert.
Die Attacke zeigt, dass die Islamisten in Mali noch lange nicht geschlagen sind. Mehr noch: Die Geiselnahme war der erst zweite und bisher größte Anschlag in Bamako selbst. Im März hatte ein Islamist bei einem Angriff auf das Restaurant La Terrasse fünf Menschen getötet. Die Attacke von Freitag bestätigt, dass islamistische Gruppen längst in der malischen Hauptstadt angekommen sind, die lang als frei von Terrorismus galt. Anschläge spielten sich sonst v. a. im Norden ab, der letzte bei Timbuktu ereignete sich vor wenigen Tagen und ging auf das Konto von AQIM.
Terror mit internationaler Agenda
Der Angriff in Bamako ist auch ein alarmierendes Zeichen für andere afrikanische Länder, allen voran Nigeria. Noch beschränkt sich der Terrorismus der Jihadistensekte Boko Haram auf den Nordosten des Landes und die Grenzregion der Nachbarstaaten. Doch seit Terrorgruppen, v. a. der IS, zunehmend international agieren, kann auch die Regierung Nigerias mit ihren Verbündeten keineswegs davon ausgehen, dass das Problem sich regional begrenzen lässt.
Die Boko Haram hat dem IS die Treue geschworen; es wird nur eine Frage der Zeit sein, bis sie ihre Loyalität unter Beweis zu stellen versucht. Andere afrikanische Staaten haben die Erfahrung von grenzüberschreitendem Terrorismus schon gemacht, der bis in die Hauptstädte reicht. Die Geiselnahme der somalischen al-Shabaab im Westgate-Einkaufszentrum in Nairobi 2013 ist für Kenia bis heute ein Trauma.
Gezielte Angriffe auf Orte, die Ausländer ansteuern, wie Luxushotels, Shopping Malls oder Museen (Beispiel Tunesien), sind für gewaltbereite Islamisten dabei eine relativ einfache Möglichkeit, rasch für großes Entsetzen zu sorgen. Diese Orte sind auch kaum gänzlich zu schützen – schon gar nicht in Ländern, in denen die Korruption grassiert.
Die Bedingungen, unter denen sich solche Terrorgruppen bilden können, sind dabei meist dieselben: kaum bis gar keine staatlichen Strukturen (oft mit einem Konflikt verbunden), Armut, Perspektivlosigkeit. Wenn die Islamisten in Mali wieder erstarken, verdeutlicht das, wie wenig man es bisher geschafft hat, die Ursachen zu beseitigen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.11.2015)