900 Mio. Euro will das Finanzressort mit der Einführung von Registrierkassen 2016 einnehmen. Doch die Summe wackelt, SPÖ-Kreise drohen sogar wieder mit der Millionärssteuer.
Wien. Eine höhere Beitragsgrundlage für die Sozialversicherung – gegessen. Eine massive Erhöhung der Grunderwerbsteuer bei Schenkungen und Erbschaften von Immobilien – gegessen. Wenn es aber um die Einführung einer Registrierkasse geht, um alle Einnahmen versteuern zu müssen, hört sich die Leidensfähigkeit offenbar auf. Seit Monaten köchelt es in der Wirtschaft, vor allem in der Gastronomie. Jetzt geht der Topf mit einem Aufstand der Bundesländer gegen den Bund über. Vier Länder fordern Änderungen bei der verpflichtenden Einführung der Kassen, weitere Länder dürften folgen und damit den Finanzminister gehörig unter Druck setzen.
Hans Jörg Schelling hat bereits Zugeständnisse gemacht. Aus der verpflichtenden Einführung der Registrierkasse mit 1. Jänner 2016 wurde nichts. Die Frist wurde vom Finanzministerium auf Ende März verlängert. Aber auch dann muss man nicht unbedingt bereits eine manipulationssichere Kasse einsetzen, man braucht bis Ende Juni nur eine „nachvollziehbare Begründung“, warum die Umstellung noch nicht erfolgt ist. Wirklich ernst wird es mit 1. Juli 2016, dann helfen auch sehr gute Ausreden nichts mehr.
Aufstand der Länder
900 Millionen Euro an zusätzlichen Steuereinnahmen werde die Einführung von verpflichtenden Registrierkasse 2016 bringen, erklärten die Budgetplaner nach Vorstellung der Steuerreform. Damals nahm man noch den 1. Jänner als Starttermin an. Normale Mathematiker könnten jetzt glauben, dass die Einnahmen geringer ausfallen werden, wenn die Registrierkassenpflicht in der Praxis erst nach dem ersten Halbjahr in Kraft tritt. Finanztechnische Mathematiker rechnen aber offenbar anders: er kalkuliere „selbstverständlich“ mit den budgetieren Einnahmen, ließ Schelling wissen.
Im Finanzministerium erklärt man, dass die Beamten stets sehr konservativ rechnen würden. Man habe Einführungseffekte eingeplant, weil die Umstellung ja nicht „von null auf 100 erfolgt“. Man sei zuversichtlich, dass die 900 Mio. Euro erreicht werden.
Nicht, wenn es nach dem Wunsch von Wirtschaftsvertretern und manchen Bundesländern geht. Die Steiermark hat bereits eine Verfassungsklage gegen das Gesetz angekündigt. In dieser Woche gab es einen konzertierten Aufstand vom Burgenland, von Nieder- und Oberösterreich. Sie fordern teils eine Verschiebung der Einführung, zumindest aber eine Verdoppelung des Grenzbetrags, ab dem es einer Registrierkasse bedarf (von 15.000 auf 30.000 Euro). Diesen Forderungen schlossen sich Landespolitiker von ÖVP, FPÖ, aber auch von der SPÖ an, die die Registrierkassenpflicht auf Bundesebene „erfunden“ hat. Auch in Tirol und Vorarlberg mehrt sich Widerstand.
Niederösterreichs ÖVP-Klubobmann, Klaus Schneeberger, meint, der Bund müsse überlegen, ob er „in dieser Frage“ nicht zu weit gegangen sei. Ob er von seinem Parteifreund Schelling Signale erhalten habe, dass er zu weiteren Zugeständnissen bereit sei? „Nein, bisher nicht.“
Warnung aus der SPÖ
Schelling dürfte wohl langsam die Millionen zählen, die ihm nach und nach aus seiner Registrierkasse verschwinden. Das Budgetjahr 2016 wird ohnehin schon wegen der Zusatzkosten für die Flüchtlinge schwierig.
Jetzt steckt man auch schon vorsichtshalber in SPÖ-Kreisen die Grenzen ab. Bernhard Achitz, Leitender Sekretär des ÖGB, warnte am Freitag vor einer Aufweichung der Registrierkassenpflicht. „Käme diese Maßnahme nicht, dann müsste man anders für die notwendigen Einnahmen sorgen, zum Beispiel durch Vermögens- und Erbschaftssteuern.“
Der Verzicht auf diese Millionärssteuern bei der Steuerreform war ein Grund dafür, dass die ÖVP der SPÖ die Einführung der Registrierkassen zugestanden hat.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.11.2015)