Hofburg-Kandidaten: Zwischen Fischer, Gauck und Klestil
Was kann Irmgard Griss besser als Erwin Pröll? Und was kann man vom scheidenden Präsidenten lernen? Über die Stärken und Schwächen möglicher Hofburg-Kandidaten.

Höchstwahrscheinlich am 24. April 2016 wird der neue Bundespräsident gewählt. Wobei: Im ersten Wahlgang wird sich eine Absolute wohl nicht ausgehen. Also dürfte vier Wochen später eine Stichwahl zwischen den beiden Erstplatzierten stattfinden. Als Favoriten dafür gelten die Kandidaten der Großparteien, nach jetzigem Stand (sehr sicher) Rudolf Hundstorfer für die SPÖ und (ziemlich sicher) Erwin Pröll für die ÖVP. Sollte es Alexander Van der Bellen (unsicher) für die Grünen in die Stichwahl schaffen, wäre eine Überraschung möglich. Sein Gegner wäre dann wohl Erwin Pröll. Als Außenseiterin startet Irmgard Griss. Für die FPÖ könnte Norbert Hofer kandidieren. Aber auch Josef Moser ist als unabhängiger oder freiheitlicher Kandidat im Gespräch. Von Oliver Pink und Thomas Prior
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Wie es sich anfühlt, mit „Herr Präsident“ angesprochen zu werden, weiß Rudolf Hundstorfer ja schon. Zwischen 2006 bis 2008 war er Präsident des ÖGB und in dieser Funktion vor allem Krisenmanager nach dem Bawag-Skandal. So empfahl er sich für das Sozialministerium und dort dann für alle anderen Jobs, von denen man meinte oder wusste, dass sie bald zu vergeben sind: Als Kanzler wurde er schon gehandelt, als Wiener Bürgermeister, als Bundespräsident. Hundstorfer ist so etwas wie eine politische Variable: beliebig einsetzbar. Er hat Managementqualitäten und ein Netzwerk, das weit über die SPÖ hinausreicht, vor allem aber tief in sie hinein. Manche zweifeln daher, ob der 64-Jährige unabhängig genug für die Hofburg wäre. Und neuerdings soll die Parteispitze auch nicht mehr sicher sein, ob die Wahl mit Hundstorfer zu gewinnen ist. Denn in die Rolle des Staatsmannes, wie ihn Heinz Fischer verkörpert, müsste er erst hineinwachsen. Alternativen werden genannt, Ex-Minister Rudolf Scholten zum Beispiel. Die Entscheidung soll Mitte Jänner fallen.
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St. Pölten locuta, causa finita. Noch allerdings ist es nicht so weit. In Wien wartet man auf weißen Rauch aus Niederösterreich. Landeshauptmann Erwin Pröll hat sich noch nicht bequemt kundzutun, ob er nun antritt oder nicht. Tut er das – und darauf würde dann auch die Kampagne hinauslaufen –, wird Pröll dem Bedürfnis nach einem „starken Mann“ Rechnung tragen. Dass dieses besteht, lässt sich aus den FPÖ-Erfolgen angesichts der als schwach wahrgenommenen Regierungsspitze durchaus ableiten. Pröll ist ein Profi mit klaren Vorstellungen. Er würde dem Präsidentenamt Profil verleihen. Allerdings: Man kann es damit auch übertreiben wie Thomas Klestil. Dieser hat sich unter dem Titel „Macht braucht Kontrolle“ etwa zu viel Macht für sich selbst herausgenommen. Die Rolle des Bundespräsidenten erfordert aber eine subtilere Vorgangsweise – wie von Heinz Fischer vorgelebt.
(c) Clemens Fabry

Man kann sich Alexander Van der Bellen gut vorstellen, wie er sich am Nationalfeiertag via Fernsehen an die ÖsterreicherInnen wendet. Wie er ganz langsam spricht und immer wieder Pausen einlegt, zum Luftholen, zum Nachdenken. Wie er etwas unentschlossen wirkt, um die Dinge dann doch auf den Punkt zu bringen. Von seiner Statur her wäre der Professor ein ideales Staatsoberhaupt, ein Mann des Ausgleichs, eine Respektsperson, zu der man intellektuell aufblicken könnte, ein österreichischer Joachim Gauck minus Pastorenvergangenheit. Die Frage ist, ob Van der Bellen mit 71 Jahren noch genug Kondition für den dichten Terminkalender eines Bundespräsidenten und die vielen Reisen hat. Und die nötige Motivation. Rauchen dürfte er wohl nur noch im Hinterzimmer - man würde es ihm nicht durchgehen lassen, im Fernsehen. Ein Helmut Schmidt ist er dann doch nicht.
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Josef Moser hat bisher noch nicht erklärt, dass er für die Hofburg kandidieren will. Er ist derzeit Rechnungshofpräsident. Aber sein Mandat läuft – wie passend – 2016 aus. Menschen, die Moser kennen, glauben, dass ihn das Bundespräsidentenamt reizen könnte. Sein Name wurde von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache ins Spiel gebracht, aber auch ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner schließt eine Kandidatur Mosers nicht aus.Den alten Klestil-Slogan „Macht braucht Kontrolle“ könnte Moser wie kein Zweiter mit Leben erfüllen. Kritisch gegenüber den Regierenden, könnte er Reformen glaubhaft einfordern. Das hat er ja auch schon bisher getan. Das Manko des nunmehr Unabhängigen ist seine freiheitliche Vergangenheit. Als FPÖ-Klubdirektor war er einer der engsten Vertrauten Jörg Haiders, wiewohl er stets betont, von dessen umstritteneren Machenschaften nichts mitbekommen zu haben.
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Irmgard Griss will als unabhängige Kandidatin antreten - und genau darin liegt ihre Stärke. Auch für den Fall, dass sie Bundespräsidentin werden sollte, wäre mit einem parteiunabhängigen, sachorientierten Amtsverständnis zu rechnen. Juristisch mehr als firm ist die ehemalige Präsidentin des Obersten Gerichtshofs ohnehin. Und sie wäre die erste Frau an der Spitze des Staates – als Grande Dame auch international herzeigbar. Als nachteilig könnte sich erweisen, dass sie eben keine gelernte Politikerin ist. Ihr fehlen die Kontakte auf internationaler Ebene – die etwa Heinz Fischer aufgrund seiner jahrzehntelangen Tätigkeit in verschiedensten politischen Funktionen hatte. Und in – möglichen – Krisensituationen weiß man auch nicht, ob jemand adäquat zu reagieren imstande ist, der nicht mit allen Rädchen des Parteienstaats vertraut ist. Aber wie gesagt: Genau das kann sich auch als Vorteil erweisen.
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Wenn die FPÖ keinen unabhängigen Kandidaten – wie Irmgard Griss, Josef Moser – unterstützt, läuft wohl alles auf Norbert Hofer hinaus. Sein Name kam dem FPÖ-Chef zuletzt verdächtig oft über die Lippen. Er wäre, sagte Heinz-Christian Strache erst diese Woche wieder, ein „exzellenter Kandidat“. Und die logische Wahl, möchte man hinzufügen. Denn innerhalb der FPÖ bringt Hofer – neben Volksanwalt Peter Fichtenbauer vielleicht – am ehesten das mit, was sich der Österreicher von einem Bundespräsidenten erwartet: Besonnenheit, Vernunft, Überparteilichkeit, soziale Intelligenz. Seine Kritiker behaupten allerdings, dass Hofer ein zweites, weniger freundliches Gesicht hat. Der Grüne Karl Öllinger nannte ihn einmal einen Wolf im Schafspelz, der – wenn er sich unbeobachtet fühle – auch andere Töne anschlagen könne. Solche, die man gemeinhin von FPÖ-Politikern kennt. Als Dritter Nationalratspräsident hat sich der 44-Jährige bisher nichts zuschulden kommen lassen. In den anderen Klubs wird er respektiert, wenn nicht sogar geschätzt. Nach Martin Graf lag die Latte aber auch nicht sonderlich hoch.
(c) Stanislav Jenis

Bisherige Bundespräsidenten: Heinz Fischer (SPÖ) amtiert seit 2004 in der Hofburg. Sein Vorgänger Thomas Klestil (ÖVP) starb in den letzten Tagen seiner zwölfjährigen Amtszeit. Kurt Waldheim (ÖVP) war davor nur eine Periode lang Präsident gewesen. Dessen Vorgänger Rudolf Kirchschläger (parteilos, SPÖ-nahe) war zwölf Jahre im Amt. Franz Jonas (SPÖ) verstarb mitten in seiner zweiten Amtszeit. Als erster Bundespräsident wiedergewählt wurde Adolf Schärf (SPÖ), er starb während seiner zweiten Periode. Gegen Ende seiner ersten Amtszeit verstarb Theodor Körner (SPÖ), der erste direkt vom Volk gewählte Bundespräsident. Sein Vorgänger Karl Renner (SPÖ) war der erste Bundespräsident der Zweiten Republik, er amtierte fünf Jahre lang (1945–1950).
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