Mazedonien: Flüchtlinge nähen sich aus Protest Mund zu

Sechs Iraner treten mit zugenähten Lippen in den Hungerstreik.
Sechs Iraner treten mit zugenähten Lippen in den Hungerstreik.REUTERS
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Hunderte Menschen sind an der griechisch-mazedonischen Grenze gestrandet. Sie machen ihren Unmut über die strengeren Einreisebestimmungen am Balkan laut.

Sonntagabend noch hatte hatte der mazedonische Präsident Gjorge Ivanov nach einem Treffen mit EU-Ratspräsident Donald Tusk noch vor gewaltsamen Zwischenfällen im griechisch-mazedonischen Grenzgebiet gewarnt. Statt mit Gewalt zu protestieren, drückten die hunderten gestrandeten Flüchtlinge ihren Unmut auf andere Weise aus. Menschen aus Marokko, dem Iran, aus Pakistan, Algerien und Bangladesch blockierten die Bahngleise an der Grenze und forderten eine Weiterreise nach Westeuropa - und das mit sehr plakativen Mitteln.

Mit Nadeln und blauem Faden nähten sich sechs Iraner den Mund zu und traten in Hungerstreik, berichtet der Guardian. Eine Gruppe aus Bangladesch habe sich in der Kälte mit roten Stift Slogans auf die nackte Brust geschrieben. "Erschießt uns, wir werden nie zurückgehen", hieß es es. Oder: "Erschießt uns oder rettet uns."

"Erschießt uns. Wir werden nie zurück gehen."REUTERS

Hartes Vorgehen gegen "Wirtschafsmigranten"

Der mazedonische Außenminister Nikola Poposki blieb in der Flüchtlingsfrage am Montag dennoch hart. Sein Land werde "alle notwendigen Maßnahmen und alle Ressourcen" zum Grenzschutz und zur Verhinderung eines unkontrollierten Zustroms von "Wirtschaftsmigranten" ergreifen, sagte er in Skopje. Als "Wirtschaftsmigranten" bezeichnen Kroatien, Serbien und Mazedonien seit vergangener Woche alle Flüchtlinge, die nicht über einen syrischen, irakischen oder afghanischen Reisepass verfügen. Sie werden bereits an der Grenze abgewiesen.

Die strengeren Maßnahmen zeigen teils erschreckende Wirkung: Am Wochenende saßen wegen der Einreisebeschränkungen rund 1000 Flüchtlinge im Niemandsland zwischen Mazedonien und Griechenland fest. Sie durften weder nach Mazedonien einreisen, noch ließ sie Griechenland zurück ins Land. In der Nacht auf Montag ist die Anzahl der im Grenzgebiet festgehaltenen Menschen allerdings leicht zurückgegangen, berichtet der serbische Sender "RTS". Einige von ihnen dürften mithilfe von Schleppern nach Mazedonien eingereist sein.

Protestierende Iraner an der Grenze.
Protestierende Iraner an der Grenze.APA/AFP/SAKIS MITROLIDIS

Rückgang auch in Spielfeld

Auch weiter nördlich an der Balkanroute sind die Auswirkungen der restriktiven Maßnahmen deutlich. So träfen derzeit täglich rund 2.000 Schutzsuchende weniger als noch vergangene Woche in Serbien ein, sagte Rados Djurovic vom Belgrader Asylhilfezentrum am Montag. Ähnlich war die Lage in Slowenien, wo am Sonntag lediglich 5.200 Flüchtlinge ankamen. Dies war zwar mehr als am Samstag, als nur knapp 3.000 Menschen das Land erreichten, lag aber weiter deutlich unter dem Durchschnittswert von 7.000 bis 8.000 Ankünften pro Tag in den Wochen zuvor.

Mit einigen Tagen Verspätung macht sich der Rückgang seit Sonntag auch an der österreichisch-slowenischen Grenze bemerkbar. Im steirischen Spielfeld kamen am Sonntag lediglich 3.500 Schutzsuchende an und damit halb so viele wie noch in der Woche davor. Polizeisprecher Leo Josefus sagte, der Rückgang könnte möglicherweise von Dauer sein. Neben den verschärften Einreisebestimmungen am Balkan, spiele auch das schlechtere Wetter sowie eine vermehrte Transport der Flüchtlinge über Kärnten eine Rolle. Dort kommen seit Samstag nicht nur wie bisher 1.600 Menschen täglich mit dem Zug aus Slowenien, sondern zusätzlich auch noch 1.600 weitere mit Bussen durch den Karawankentunnel.

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(APA/dpa/Reuters)

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