Rot-Grün: Vassilakou muss zittern

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Am heutigen Dienstag wird sich zeigen, wie tief die rot-grünen Gräben sind: Vassilakou ist bei der Wahl zur Vizebürgermeisterin auf die roten Mandatare angewiesen, die sind aber massiv verärgert.

Wien. Die Neuauflage der rot-grünen Koalition geht mit Dienstag offiziell an den Start. Bei der Sitzung des Wiener Gemeinderats ab 9 Uhr werden die Gemeinderäte angelobt, Bürgermeister und Stadträte gewählt, die ÖVP stellt Anträge zu den Themen Deutsch vor Schuleintritt, nachhaltige Integration, sechste Donauquerung (Lobau-Tunnel), Krankenhaus Nord und Bürgerverträglichkeitsprüfungen, während die Neos erstmals Gemeinderatsluft schnuppern.

Alles in allem eine Sitzung, die einem entspannten ersten Schultag nach den Ferien entspricht – würde es nicht rot-grüne Dissonanzen geben, die sich bei der Sitzung zu einem tiefen Graben ausweiten könnten. Entladen könnten sie sich bei der Wahl von Maria Vassilakou zur Wiener Vizebürgermeisterin.

Vassilakou auf SPÖ angewiesen

Hintergrund: Die SPÖ stellt als stärkste Partei einen Vizebürgermeister, der zweite (nicht amtsführende) geht an die FPÖ, nachdem sie mit 34 Mandaten mehr als ein Drittel aller Mandate stellt.

Nur: Im Zuge der Koalitionsverhandlungen hat Michael Häupl den roten Vizebürgermeister-Posten Maria Vassilakou überlassen – womit die Grüne formal auf einem roten Ticket kandidiert und von den roten Gemeinderäten gewählt werden muss. Diese sind allerdings massiv verärgert über die Grünen, die den Koalitionspakt (Stichwort: Lobau-Tunnel, Tempo 30 in der Nacht etc.) völlig konträr interpretieren. Dazu kommen angebliche Geheimvereinbarungen zum Koalitionspakt mit den Grünen, die den roten Mandataren unbekannt sind und zu denen viele gemeint hatten: „Wenn das so stimmt, hätte ich, und auch andere, dem Koalitionspakt nicht zugestimmt.“

Damit birgt die Sitzung reichlich Sprengstoff für Rot-Grün – weshalb SPÖ-Klubchef Christian Oxonitsch am Montag sehr eindringlich an die SPÖ-Gemeinderäte appellierte, man möge Vassilakou bei der geheimen Wahl zur Vizebürgermeisterin nicht mit Streichungen bloßstellen. Dass diese Gefahr gegeben ist, weiß Oxonitsch – verweigerten ihm selbst doch rund 30 Prozent der SPÖ-Mandatare die Stimme bei der Wahl zum roten Klubchef. Wegen den Problemen mit den Grünen und angeblichen Nebenabsprachen zum Koalitionspakt.

Wer erhält mehr Zustimmung?

Vassilakou wird gewählt werden, benötigt sie laut Stadtverfassung doch nur 22 der 44 SPÖ-Stimmen. Aber: Schert am Dienstag dieselbe Anzahl von SPÖ-Mandataren wie bei der Wahl von Oxonitsch aus, würde FPÖ-Vizebürgermeister Johann Gudenus mehr Zustimmung erhalten als die grüne Vizebürgermeisterin. Was sich dann in der rot-grünen Koalition abspielen würde, ist leicht auszurechnen. Trotzdem hieß es vor der Sitzung in SPÖ-Kreisen: „Das könnte durchaus eintreten, dazu kann man keine Prognose abgeben.“

Fest steht, dass FPÖ und ÖVP gemeinsam gegen Häupl als Bürgermeister stimmen werden. Der künftige FPÖ-Vizebürgermeister Johann Gudenus erklärt dazu: „Häupl, der nach der Wahl noch meinte, er sehe das Ergebnis nicht unbedingt als Auftrag weiterzumachen, ist klar wortbrüchig geworden.“ Und es gebe bereits vor der Angelobung innerkoalitionäre Streitereien, die via Medien ausgetragen würden. Seitens der ÖVP wird betont: Man habe den Koalitionspakt abgelehnt und werde daher auch im Gemeinderat dagegen stimmen.

Nebenbei: Im grünen Rathausklub wurden am Montag bereits die Aufgabengebiete verteilt. David Ellensohn bleibt Klubchef und übernimmt zusätzlich die Themen Bildung und Kontrolle. Bei den neuen Gemeinderäten kümmert sich Birgit Meinhard-Schiebel um Gesundheit, Europa, Generationen, Peter Kraus um Wirtschaft, Jugend, Homosexuelle/Transgender, Barbara Huemer um Frauen, Arbeit, Wissenschaft, Faika El Nagashi um Integration und Menschenrechte. Bei den bisherigen Gemeinderäten ändert sich nur wenig: Christoph Chorherr wird nun zusätzlich auch grüner Wohnbausprecher, Jennifer Kickert Sprecherin für Beteiligung und Demokratie.

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Wiener Regierung

1. Michael Häupl bleibt Wiener Bürgermeister.

2. Maria Vassilakou ist weiterhin Vizebürgermeisterin und Stadträtin für Verkehr, Stadtplanung und Bürgerbeteiligung.

3. Sonja Wehsely. Die Sozial- und Gesundheitsstadträtin bekam das Jugendressort von Stadtrat Christian Oxonitsch dazu, der nun SPÖ-Klubchef im Rathaus ist.

4. Ulli Sima. In das Ressort der Umweltstadträtin wurden die Wiener Stadtwerke eingegliedert – also Wiener Linien, Wien Energie und die Bestattung Wien. Sie führt nun offiziell ein Ressort für Daseinsvorsorge, nachdem die Bereiche Müll, Wasser und Abwasser bereits in ihrem Ressort sind.

5. Renate Brauner. Die Häupl-Vertraute bleibt Finanzstadträtin, gab aber die Stadtwerke an Ulli Sima ab.

6. Andreas Mailath-Pokorny. Der Kulturstadtrat wurde mit dem Sportressort und der Oberhoheit über die millionenschwere Medienorgel der Stadt (PID – Presse- und Informationsdienst der Stadt Wien) aufgewertet.

7. Sandra Frauenberger. Die Integrations- und Frauenstadträtin erhielt mit der Regierungsbildung den größten Machtzuwachs. In ihr Ressort wurden die Bildungsagenden von Christian Oxonitsch eingegliedert. Die Begründung: Integration und Bildung sollten, gerade in Zeiten einer Flüchtlingswelle, in einer Hand sein.

8. Jürgen Czernohorszky ist nun (als Häupl-Vertreter) neuer amtsführender Stadtschulrat und bereitet die geplanten Änderungen im Wiener Bildungssystem vor.

9. Michael Ludwig. Bei dem Wiener Wohnbaustadtrat ändert sich nichts.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.11.2015)

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