Flüchtlinge: Deutschland ringt um Kontingente

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Die Zahl der in Deutschland ankommenden Flüchtlinge dürfte im laufenden Monat einen neuen Rekord erreichen. Der Druck auf Merkel steigt.

Berlin. 15.000 waren es am vergangenen Wochenende. Knapp 180.000 sind es seit Anfang November. Die Zahl der in Deutschland ankommenden Flüchtlinge dürfte Angaben der Bundespolizei zufolge im laufenden Monat ein neues Rekordhoch erreichen. Die bisherigen Prognosen scheinen damit Makulatur. Denn das Innenministerium hatte für das Gesamtjahr mit der Ankunft von 800.000 Flüchtlingen gerechnet. Allein bis Ende Oktober wurden offiziell aber rund 760.000 Menschen registriert.

In Deutschland kocht daher die Debatte um sogenannte Kontingente für Flüchtlinge hoch. Sie werden als Möglichkeit gesehen, die Zuwanderung zu begrenzen. Für die Kanzlerin wären Kontingente zudem eine Option, um den Druck aus den eigenen Reihen zu kanalisieren. Die CSU beharrt seit einiger Zeit auf der Einführung von Obergrenzen für Flüchtlinge. Die gibt es zwar so mit der Kanzlerin nicht, Kontingenten kann Merkel aber durchaus etwas abgewinnen. Die Regierungschefin selbst hatte das Thema beim G20-Gipfel in der Türkei aufs Tapet gebracht. Durch eine zwischen der EU und der Türkei fest vereinbarte Zahl an Flüchtlingen verspricht man sich, deren Ausreise Richtung EU einzudämmen.

Nächster Härtetest für Merkel

Aus Sicht der deutschen Regierung würden Kontingente gesamteuropäisch vereinbart, eine Obergrenze hingegen einseitig festgelegt. Auf Größenordnungen wollte man am Montag in Berlin nicht eingehen. Zuletzt wurde eine Zahl von 300.000 bis 500.000 Flüchtlingen kolportiert. In Deutschland gibt es bereits Kontingente für syrische Bürgerkriegsflüchtlinge. Seit 2014 kamen auf diese Weise mehr als 30.000 Syrer in die Bundesrepublik.

Innenminister Thomas de Maizière zeigte sich am Wochenende erfreut, dass der Vorschlag – den er selbst schon im September gemacht hatte – immer mehr Zustimmung findet.

Selbst die SPD ist einer solchen Lösung gegenüber nicht abgeneigt. Fraktionsvorsitzender Thomas Oppermann schlägt etwa vor, dass die Größenordnung jährlich vom Bundestag in Abstimmung mit der EU und dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen festgelegt werden könnte. Die Sozialdemokraten sind zwar gegen Obergrenzen, weil diese gegen das Grundrecht auf Asyl verstoßen würden, der Einführung von Kontingenten steht man aber offen gegenüber.

Innerhalb der deutschen Regierung gibt es ernsthafte Bestrebungen, den Kurs der Kanzlerin in der Asylfrage zu korrigieren. Ihren eigenen CDU-Parteifreunden muss sie sich im Dezember stellen. Bis dahin wird man wohl versuchen, eine gemeinsame politische Linie auf breiter Basis zu finden. (nst)

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.11.2015)

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