Was Terrorverdächtigen in Österreich droht

A rebel fighter runs through dust towards an area damaged by what activists said were barrel bombs dropped by warplanes loyal to Syria´s President Assad in Aleppo
A rebel fighter runs through dust towards an area damaged by what activists said were barrel bombs dropped by warplanes loyal to Syria´s President Assad in Aleppo(c) Reuters, Rami Zayat
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Ermittlungen. Wie geht die Republik mit Jihadisten um, die aus den Kampfgebieten der Terrormiliz IS nach Österreich zurückkehren? Und wie soll künftig Resozialisierung aussehen? Ein Überblick.

Wien. Nach den Anschlägen von Paris richtet sich in Österreich der Fokus auf jene Jihadisten, die sich in Syrien oder im Irak der Terrormiliz IS (Islamischer Staat) oder einer anderen radikal-islamistischen Gruppierung angeschlossen haben. Und nun wieder im Land sind. Ebenso im Visier stehen jene, die sich zumindest auf den Weg machten. „Die Presse“ beantwortet hier die wichtigsten Fragen.

1. Wie viele Jihadisten machten sich auf den Weg in Richtung IS?

Laut Verfassungsschutz (BVT) haben sich um die 250 Personen von Österreich auf den Weg in den Jihad gemacht. Etwa 40 konnten auf dem Weg dorthin von den Behörden aufgehalten werden. Etwa ebenso viele drangen durch und wurden in den Kampfgebieten getötet. Firas H. aus Wien Floridsdorf zum Beispiel. Der 19-Jährige (er hatte tunesische Wurzeln) posierte lachend für derbe IS-Propagandafotos und starb bei einem Bombenangriff. Indessen sollen 60 bis 70 Personen wieder nach Österreich zurückgekehrt sein. Die restlichen Personen sind noch immer in den Kriegsregionen oder werden dort vermutet.

Wie viele radikale Islamisten in Österreich leben, die noch keine Ausreiseversuche gemacht haben und auch sonst nicht in strafrechtlich relevanter Form aufgefallen sind, sei nicht seriös einzuschätzen, heißt es aus dem Innenressort.

2.Wie viele Ermittlungsverfahren wegen Terrorverdachts laufen?

Derzeit ungefähr 200. Davon sind allein in diesem Jahr 190 Verfahren angefallen. Bei Jihad-Rückkehrern wird in der Regel immer ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Ob genügend Beweise oder Indizien zusammengetragen werden können, um eine Anklage und damit einen Strafprozess zu erwirken, hängt vom Einzelfall ab.

Oft werden verräterische Einträge und Bilder auf Kommunikationsplattformen im Internet den Verdächtigen zum Verhängnis. Jedenfalls wurden heuer schon 50 Terror-Anklagen eingebracht. Die Verfahren laufen großteils wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung (§ 278 b Strafgesetzbuch). Darauf stehen ein Jahr bis zehn Jahre Gefängnis.

Bereits 23 Verurteilungen wegen § 278 b StGB stehen seit Beginn 2015 zu Buche. Im Jahr davor gab es nur eine einzige Terror-Verurteilung, 2013 gar keine. Freilich besteht die Möglichkeit, einen dringend Verdächtigen gleich zu Beginn des Ermittlungsverfahrens in U-Haft zu nehmen. Sofern ein U-Haft-Grund (Flucht-, Wiederholungs-, Verdunklungsgefahr) vorliegt. In der aktuellen Debatte um die Einführung von Fußfesseln für Verdächtige, aber noch nicht verurteilte Jihadisten, wird geflissentlich übersehen, dass es schon jetzt möglich ist, die U-Haft durch ein gelinderes Mittel, etwa den durch eine Fußfessel elektronisch überwachten Hausarrest, zu ersetzen.

3. Was passiert mit jenen, deren Verfahren eingestellt werden?

Lässt sich ein Verdacht nicht erhärten, hat der Beschuldigte auch das Recht auf eine Einstellung des gegen ihn geführten Verfahrens. Das ist ein klarer rechtsstaatlicher Grundsatz. In Sachen Terror reicht aber schon ein relativ kleiner Beitrag, um den erwähnten Terror-Paragrafen (§ 278b StGB) zu erfüllen. Ein Beispiel: Schon das Losfahren in Richtung IS-Territorium gilt als vollendetes Delikt.

Im Fall einer Verfahrenseinstellung kann der Betreffende immer noch von der Polizei im Rahmen der erweiterten Gefahrenerforschung ins Visier genommen werden. Personen, bei denen mit „religiös motivierter Gewalt“ zu rechnen ist, werden im Sicherheitspolizeigesetz ausdrücklich erwähnt. Als Maßnahmen zur Gefahrenabwehr kommen etwa Oberservationen oder das Abhören von Autos oder Wohnungen infrage.

4. Wie sieht es in der Praxis mit den Tätern und deren Strafen aus?

Auffällig ist, dass immer wieder Mitglieder der tschetschenischen Community (mehrfach Asylwerber) vor Gericht landen. Erst vorige Woche erhielt ein Syrien-Rückkehrer, nämlich ein 24-jähriger Tschetschene, im Landesgericht St. Pölten fünf Jahre Haft.

5. Wie steht es um die Resozialisierung von inhaftierten Jihadisten?

Anfang 2016 wird in den Gefängnissen ein in Deutschland bereits erprobtes Resozialisierungsprogramm anlaufen. Es ist speziell auf das Problem Jihadismus ausgelegt. Hauptstoßrichtung: Durch Aufklärung und durch Stärkung des Selbstbewusstseins der jungen Leute sollen diese gegen den Jihadismus „immunisiert“ werden. Zudem wird in den Gefängnissen schon seit Jahren ein Anti-Gewalt-Training angeboten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.11.2015)

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