Mehr Geld aus dem Budget für Pensionen

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Der Bundeszuschuss zu den Pensionen steigt weiter, aber dank Reformen nicht so stark wie prognostiziert. Dramatisch wird es laut Experten, wenn die Babyboomer in Pension gehen.

Wien. Friedrich Torbergs Tante Jolesch hat es schon gewusst: „Gott soll einen hüten vor allem, was noch ein Glück ist.“ Das Glück also ist, dass der notwendige Zuschuss des Bundes zu den Pensionen spürbar geringer ausfallen wird als ursprünglich prognostiziert. Grund zum Jubeln ist das aber keiner, weil er weiterhin stark steigt. Bereits 3,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) wird der Bund im Jahr 2020 für die Pensionen zuschießen müssen, heißt es in einem Gutachten der Pensionskommission.

Konkret besagt die Mittelfristprognose bis 2020, dass die Bundesmittel von derzeit drei Prozent des BIPs auf die besagten 3,35 Prozent steigen werden. In absoluten Zahlen sind das 13,18 Milliarden Euro, die aus der Staatskasse zur Sicherung des Pensionssystems aufgewandt werden müssen. Die jährliche Steigerung klettert von 3,7 Prozent von heuer auf 2016 auf 5,6 Prozent von 2019 auf 2020.

In Saus und Braus werden die 2,46 Millionen Pensionisten, die es 2020 geben wird, aber nicht leben können: Die monatliche Durchschnittspension wird 1216 Euro brutto betragen. Derzeit liegt die durchschnittliche Pensionshöhe bei 1075 Euro brutto.

Ein Gutachten, viele Meinungen

Wie viel Interpretationsspielraum dieses Gutachten lässt, sah man am Freitag an den politischen Reaktionen. Die Wirtschaftskammer meinte, die finanzielle Situation des Pensionssystems sei kritisch. Die Arbeiterkammer dagegen ist überzeugt, dass man mit den bereits getätigten Reformen auf einem guten Weg sei.

(c) Die Presse

Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) fühlte sich in einer Aussendung bestätigt und meinte, dass als Folge der Reformen der vergangenen Jahre die Zuschusshöhe deutlich geringer als ursprünglich angenommen sei. Im Vergleich zum letzten Mittelfristgutachten der Pensionskommission aus dem Jahr 2014 müssten bis einschließlich 2019 etwa vier Milliarden Euro weniger in das Pensionssystem zugeschossen werden. Zudem verbessere sich die Pensionsquote, also die Zahl der Pensionisten pro 1000 Erwerbstätige. 2014 waren es noch 617 Pensionisten pro 1000 Erwerbstätige, 2015 sind es 610, ab 2017 werden es 609 sein. Damit sei wieder der Wert von 2008 erreicht.

Martin Gleitsmann, Leiter der Sozialpolitik-Abteilung in der Wirtschaftskammer, sieht keinen Anlass zur Entwarnung, nur weil die Kosten weniger stark als erwartet steigen. Immerhin werde der Pensionsaufwand 2020 insgesamt knapp 42 Mrd. Euro betragen. Und ab 2020 werde es erst recht wieder teurer, wenn die Babyboomer nach und nach aus dem Erwerbsleben scheiden, warnte Gleitsmann. Er forderte Strukturreformen ein und ein „Schließen von Schlupflöchern in die Frühpension“. Auch das Frauenpensionsalter müsse rascher an das der Männer angeglichen werden. Viel optimistischer blickt die AK in die Zukunft. Pensionsexperte Wolfgang Panhölzl erkannte eine „beachtliche Wirkung“ der bisher beschlossenen Maßnahmen. Die Pensionskommission habe am Freitag „gute Nachrichten für das Budget“ überbracht.

Frist bis Ende Februar

Ähnlich zwiespältig sind die Reaktionen von Pensionisten- und Jugendvertretern. Pensionistenverbandschef Karl Blecha sprach von einem „positiven Trend“ und urteilte: „Unser Pensionssystem ist finanzierbar, sicher, stabil und für die Zukunft gerüstet.“

„Deplatziert“ findet dagegen die Vorsitzende der Jungen Industrie, Therese Niss, den „Jubel“ über die Pensionsprognose. „Die Kosten bei den Pensionen steigen ungebrochen weiter“, kritisierte sie. Es bedürfe deutlicher Reformen.

Diese fordert auch der wirtschaftsliberale Thinktank Agenda Austria. Der dortige Pensionsexperte Michael Christl verweist ebenfalls auf die Babyboomer und warnt vor einer Verschärfung des Pensionsproblems in 15 Jahren.

Die ÖVP schlägt seit vielen Jahren als eine Lösung des Problems eine Pensionsautomatik vor – also eine Koppelung des Pensionsantrittsalters an die Lebenserwartung. Finanzminister Hans Jörg Schelling hatte das Thema diese Woche wieder aufs Tapet gebracht. Die SPÖ lehnt eine Automatik ab.

Im Sozialministerium erklärte man am Freitag, man kenne noch keine konkreten Vorschläge des Koalitionspartners. Man werde wie vereinbart Ende Februar entscheiden, ob im Pensionssystem „noch der eine oder andere Schritt gesetzt werden muss oder nicht“. (rie)

AUF EINEN BLICK

Das Pensionssystem wird die öffentlichen Haushalte trotz aller Reformen weiter stark belasten. Das zeigt ein neues Gutachten der im Sozialministerium angesiedelten Pensionskommission. Demnach werden die benötigten Bundesmittel von 3,07 Prozent des BIPs im heurigen Jahr auf 3,35 Prozent im Jahr 2020 steigen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.11.2015)

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