Verfassung: Staatschutz wird zentralisiert

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Die Regierung einigte sich auf das Staatsschutzgesetz. Einer der zentralen Punkte ist die Einsetzung eines Rechtsschutz-Senats, der etwa den Einsatz verdeckter Ermittler genehmigen soll.

Wien. Einen Rechtsschutz-Senat, eine Präzisierung von Tatbeständen sowie die Zentralisierung des Verfassungsschutzes bringt das Staatsschutzgesetz, auf den sich die Regierungsparteien am Samstag geeinigt haben. So sollen etwa die Landesämter zugunsten zentral gesteuerter Polizeieinheiten aufgelöst werden, haben die Klubobmänner der SPÖ und ÖVP, Andreas Schieder und Reinhold Lopatka, am Sonntag bei einem Pressegespräch angekündigt, bei dem die Einigung auf das Gesetz verkündet wurde.

Es soll kommenden Dienstag im Innenausschuss eingebracht und am 26. Jänner im Nationalrat beschlossen werden. In Kraft treten wird es wie vorgesehen am 1. Juli 2016 – diese Vorlaufzeit sei nötig, um alle Strukturen aufzusetzen.

Drei Rechtsschutzbeauftragte

Einer der Konfliktpunkte war bisher der Rechtsschutz: Dafür hat man sich als Kompromiss nun auf einen Dreiersenat geeinigt. Dieser besteht aus einem Vorsitzenden und zwei Stellvertretern, einer von ihnen muss zumindest zehn Jahre als Richter oder Staatsanwalt gearbeitet haben – infrage kommen pensionierte ebenso wie noch berufstätige Personen, die nach ihrer Tätigkeit im Senat in ihren Beruf zurückkehren könnten.

Die Rechtsschutzbeauftragten sollen unabhängig sein und die Arbeit der Ermittler – die mit dem neuen Gesetz im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung gebündelt werden – kontrollieren bzw. spezielle Maßnahmen genehmigen, darunter beispielsweise den Einsatz der viel diskutierten verdeckten Ermittler (V-Leute). Damit sei die Forderung nach einer richterlichen Kontrolle erfüllt, betonen Schieder und SPÖ-Sicherheitssprecher Otto Pendl. Zudem sei der komplette Instanzenzug via Bundesverwaltungsgericht gewährleistet. Somit wird laut Lopatka und ÖVP-Sicherheitssprecher Werner Amon „höchster juristischer Sachverstand ebenso garantiert wie eine breite Basis im Senat“, der angehalten werde, im Einvernehmen zu entscheiden.

Besonders hervorzuheben sei auch die verstärkte Kontrolle durch das Parlament: Der landläufig als Stapo-Unterausschuss bezeichnete Ausschuss im Nationalrat könne jederzeit Auskunft vom Rechtsschutzsenat einfordern, umgekehrt kann sich aber auch der Beauftragte von sich aus an das Parlament wenden. Die Tatbestände, bei denen der Staatsschutz überhaupt aktiv werden darf, wurden Schieder zufolge ganz konkret auf die Gewaltbedrohung durch Extremismus, Terrorismus, Spionage oder Proliferation (Verbreitung von Massenvernichtungswaffen) hin formuliert. Die „Wahrung des öffentlichen Ansehens“ dagegen ist nicht mehr Job der Staatsschützer. Somit wären auch Vorgänge wie bei den Ermittlungen gegen die Tierschützer nicht mehr möglich. „Denn“, so Schieder, „Tierschutz ist keine Ideologie.“

Keine Landesämter mehr

Künftig soll es zudem keine Landesämter mehr geben, sondern Landesdienststellen in den jeweiligen Polizeidirektionen, die direkt dem Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung unterstellt sind und von diesem zentral gesteuert werden. Somit ist laut Schieder sichergestellt, dass für die „sensiblen Befugnisse“ der Ermittler nicht neun unterschiedliche Standards entstehen. Nichts geändert hat sich bei der Speicherung von Ermittlungsdaten – unter bestimmten Bedingungen bis zu sechs Jahre lang.

Es handle sich keinesfalls um „Anlassgesetzgebung“ angesichts der Anschläge in Paris, meint Amon. Man habe lang und sorgfältig daran gearbeitet. Auch Pendl sieht ein „gutes Gesetz“ vorliegen.

Nun hoffe man auch auf Oppositionsstimmen für das Gesetz und werde sämtlichen Abgeordneten im Nationalrat genug Zeit zum Begutachten und Diskutieren geben. Nötig sind diese natürlich nicht, da es sich um keine Zweidrittel-Materie handelt. (kb)

Interview mit Susanne Reindl-Krauskopf, Leiterin einer Forschungsstelle für Law Enforcement: Seite 13

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.11.2015)

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