Molden und Resetarits: Im lauschigen Open-Air-Salon

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Ernst Molden und Willi Resetarits präsentierten ihr formidables neues Album „Ohne Di“ im Weinviertel. Bei deftigen Speisen unterm Nussbaum.

Christian Seiler, Edelfeder, die gerne die Nähe zum Künstler sucht, hat wieder einmal ein CD-Booklet mit seiner Prosa geadelt. Es befindet sich in Ernst Moldens berückend schönem, sechsten Soloalbum „Ohne Di“, das er gemeinsam mit Willi Resetarits eingespielt hat.

Damit auch die Hungerleider in der Branche etwas davon haben, ließ Seiler Schweine und Rinder sonder Zahl über die Klinge springen. Großherzig lud er zur CD-Präsentation in sein Haus in Fahndorf. Dort bewahrt er wohl auch seine legendäre Sommervillenschlüsselsammlung auf, die ihm jederzeit Zugang zu hypersensiblen Künstlern wie André Heller gewährt. Anders als am Gardasee, wo die Schlüssellöcher so elastisch sind, dass man sie auch im illuminierten Zustand locker aufsperren kann, zeigen sich Weinviertler Häuser entschieden schroffer. Alleine um die Türschnalle zu erreichen, muss man die Arme auf 2,10 Meter ausfahren. Das ist eine Grausamkeit gegen Kinder und Erwachsene. Die Infanten werden unter Druck gesetzt, möglichst hoch aus der Erde herauszuwachsen, den Älteren wird bedeutet, ihre Wachstumspotenziale nur suboptimal ausgeschöpft zu haben.

War die deprimierende Eingangstüre einmal überwunden, tat sich ein Reich der vielfältigen Düfte auf. Um die angereisten Großstädter in den optimalen Rezeptionszustand zu überführen, ließ der Gastgeber nicht gerade unfette Stücke vom schwalbenbäuchigen Mangalitza-Schwein, deftige Fleischlaberln und scharf riechende Kutteln kredenzen. Kabarettist Thomas Maurer tat sich als Scharfmacher hervor. Mit einem kernigen „Weggeschnitten wird nichts!“ verführte er den anwesenden Nervenadel von FM4-Chefin Monika Eigensperger bis „Presse“-Wissenschaftschef Thomas Kramar zum Infight mit der Bauchspeicheldrüse. Jetzt konnte die Vorstellung unterm Nussbaum beginnen.


Ernst Molden, Döblinger Melancholiker mit beeindruckender Raspelstimme, hat sich im Sog seines superben Coverversionenalbums „Foan“, wo er Klassiker von Will Oldham bis Nick Cave einwienerte, nun endlich an sein erstes Album mit eigenen Songs im Dialekt gewagt. Seine Angst, damit in den Sog brätzigen Austropops zu kommen, hat ihm Willi Resetarits genommen. Im lauschigen Garten spielten die beiden gemeinsam mit dem formidablen KnöpferlharmonkaspielerWalther Soyka die zwölf neuen Lieder und Klassiker wie „Hammerschmidgossn“. Besonders eindringlich geriet „Stagl Ma D Schul“, ein Ohrwurm, wo die beiden in wunderschönem Wechselgesang darob sinnierten, wie man den von Wecker und Sperrstunde ausgehenden Unerfreulichkeiten auf elegante Art ausweichen könnte.

Molden huldigte seiner „Heanoisa Oma“, versank im poetischen „Woed Aus Rauchfeng“ in Elegie, gab sich gelassen in „Sog Wos D Wüsd“. Gar nicht entspannt war Andy Baum, Abgesandter des oft geschmähten Austropop. Er spaltete letzte Haare mit Vertretern der Musikindustrie. Thema? Die Unwägbarkeiten der Copyright-Abrechnungen. Bezüglich Haare waren andere experimentierfreudiger.

Scheitel-Gitarrist Christian Schachinger turtelte mit einem strohigen Jazzhüterl, und Kolumnistin Doris Knecht zeigte Haar an ungewohnter Stelle. Ihre zotteligen Kuhfellpantoffeln waren das modische Highlight in Seilers lauschigem Open-Air-Salon.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.06.2009)


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