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Nachrichten Meinung Magazin
Pressestimmen

Pressestimmen: ''Neutralität ist unmöglich''

22.06.2009 um 09:57
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''Dagens Nyheter'' (Stockholm)
"Die Reaktionen auf die Präsidentschaftswahlen im Iran waren zunächst lahm, um nicht zu sagen gleichgültig. Die Tonlage hat sich in den letzten Tagen verschärft. US-Präsident Barack Obama sprach von seiner Empörung über die Untaten des Regimes. UNO-Chef Ban Ki-moon äußerte sich ebenfalls ausgesprochen kritisch. Die Kritik des amerikanischen Präsidenten kam spät. Wenn Demonstranten staatlich gelenkter Gewalt begegnen, ist es unangemessen, wie Obama von staatlicher Souveränität zu sprechen. Kein Land hat das Recht, Menschen wegen friedlicher Meinungsäußerung zu misshandeln oder zu töten. Stattdessen hat die Umwelt die Pflicht zu reagieren, wenn ein Staat seinen Bürgern Gewalt antut. (...) Neutralität ist unmöglich. Die Umwelt darf keine Kompromisse beim Recht auf freie Meinungsäußerung eingehen."
''La Repubblica'' (Rom)
"Nach Meinung von vielen Iranern wird der Iran, wie auch immer die Unruhen von Teheran enden sollten, nicht mehr derselbe sein. Um mit den Worten eines arabischen Beobachters zu sprechen: 'Auch wenn die Falken an der Regierung bleiben sollten, könnten sie den großen Teil der Gesellschaft, der ihre Ideologie nicht teilt, nicht ignorieren.' Wenn dem so sein sollte, wäre es im Interesse des Westens, die Veränderung zu unterstützen. Doch dies wird sicherlich nicht (...) durch jenes kompromissvolle Abwarten geschehen, dass die Botschafter 'constructive engagement' nennen: Auf die Geschäfte achten, ohne sich um den Rest zu scheren (...). Es wäre traurig, wenn diese oft gebrauchte, nichtssagende Haltung auch bei dem bevorstehenden Treffen der G-8-Außenminister die Oberhand behielte."
''The Times'' (London)
"Die unterdrückenden iranischen Mullahs missverstehen die Bedeutung des Sports - nicht aber die iranische Bevölkerung, für die Fußball eine zweite Religion ist - angebetet in einem Nationalstadion mit 120.000 Sitzplätzen. Der unbeholfene Umgang der Regierung mit der Fußball- Nationalmannschaft könnte sich als Auslöser für den Aufstand gegen Irans Machthaber erweisen, der mindestens genauso heftig ist wie die manipulierte Wahl und jene Grausamkeit der Geistlichen, mit der sie versucht haben, den Protest niederzuschlagen."
''Nepszabadsag'' (Budapest)
"(...) die Regierungen im Westen dürften im Stillen aufgeatmet haben. Die Kräfteverhältnisse im Iran wurden für sie unübersichtlich. Im Falle von Bürgerkrieg und Chaos wären die Ölpreise in den Himmel geschossen. Zudem lernte man es, mit dem gegenwärtigen System zusammenzuleben. Beide Seiten kennen Diktion und Methoden des jeweils anderen gut. Die ehrliche Empörung des Westens in Sachen Menschenrechte tut dem ebenso wenig Abbruch wie die Verfluchung der kleineren Satane im Iran. Jeder bedauert Neda, die in den Straßen von Teheran erschossene, schöne junge Frau. Sie sei 'zur Ikone geworden', sagt man. Um sie ist es wirklich sehr schade!"
''ABC'' (Madrid)
"Die jüngsten dramatischen Ereignisse in Teheran beweisen, dass Präsident Mahmoud Ahmadinejad und seine Anhänger einen tödlichen Fehler begangen haben, als sie plump gefälschte Wahlen organisierten. Eigentlich ging es nicht viel mehr als um die Entscheidung zwischen einem regierenden Populisten und einem Anführer wie Mir-Hossein Moussavi. Obwohl moderater, ist dieser ein ebenso glühender Anhänger der Fortführung des Regimes. Daraus ist nun ein Sturm des Protests entstanden, der die Grundfeste der islamischen Republik bedroht."
''La Repubblica'' (Rom):
"Das Problem scheint unlösbar zu sein. Der wunde Punkt dabei ist die Atom-Frage. Nachdem US-Präsident Barack Obama den Iranern in seiner Rede in Kairo grünes Licht für die 'friedliche' Nutzung der Atomkraft gegeben hat, hat sich das Gefühl breitgemacht, dass die US-Administration Teherans Nuklearprogramm praktisch als unvermeidbar akzeptiert habe - in der Hoffnung, dass ein Sieg Mir-Hossein Moussavis bei den Wahlen die Karten neu mischen könnte. Aber mit dem Sieg Mahmoud Ahmadinejads und seines Mentors Ayatollah Ali Khamenei und wegen eines möglichen Blutbads könnte das Weiße Haus jetzt gezwungen sein, alle Optionen neu zu erwägen, eingeschlossen die der Waffengewalt."
''Die Welt'' (Berlin)
"Obama nennt die versuchte blutige Niederschlagung deutlicher als in der Woche zuvor 'gewalttätig und ungerecht'. Doch weigert er sich, mit Verdammungen des 'Bösen' in die Falle zu gehen, in welche die Herrscher in Teheran die USA locken wollen (...) Es ist bezeichnend, dass es aus den Kreisen der Aufständischen um Mir-Hossein Moussavi keine vernehmbare Kritik an Obamas Haltung der demonstrativen Nichteinmischung gegeben hat. Im Gegenteil. Indem der amerikanische Präsident Martin Luther King zitiert ('Der Bogen des moralischen Universums ist lang, aber er weist auf Gerechtigkeit'), misst er dem Aufstand den Mantel der US-Bürgerrechtsbewegung an. Damit stellt Obama klar, dass es längst um Freiheit geht, nicht mehr allein um Wahlbetrug."
''Frankfurter Allgemeine Zeitung '' (FAZ):
"(...) Denn diese Kräfte, die von der Auslöschung Israels phantasieren, wollen keine Öffnung; sie leben von der Konfrontation mit dem Westen im Allgemeinen und den Vereinigten Staaten im Besonderen. Aus dem Dialog mit der Führung der 'Islamischen Republik', den sich Obama erhofft und dessen Zustandekommen er bis zuletzt mit zurückhaltenden Kommentaren nicht gefährden wollte, wird, so sieht die Wirklichkeit aus, vorerst nichts werden - können. Das liegt nicht daran, dass der Welt erst jetzt die Augen über den Charakter des Regimes in Teheran geöffnet würden. Der war auch vorher schon klar. Wer so dreist Wahlen manipuliert und mit Repression das Aufbegehren der Leute niederzuhalten sucht, ist offensichtlich nicht an Dialog und nicht an einem 'großen Handel' interessiert, der auch den Nuklearkonflikt einschlösse. (...)"
''La Croix'' (Paris)
"Angesichts der angespannten Lage im Iran in der zweiten Woche nach der umstrittenen Präsidentenwahl äußern die westlichen Hauptstädte ihre Besorgnis und fordern die iranische Führung auf, keine Gewalt anzuwenden und die Stimmzettel neu auszuzählen. Diese behutsamen diplomatischen Vorstöße dienen als Vorwand für eine Verschärfung der Unterdrückung. Vom Ausland gesteuert und von westlichen Ländern manipuliert zu werden, ist der schlimmste Vorwurf, dem die Oppositionellen im Iran ausgesetzt sind. Großbritannien wird schon offen beschuldigt. Die USA bleiben maßvoll in ihrer Reaktion, um einem akuten Antiamerikanismus keine Nahrung zu geben. Solidarität und Wachsamkeit sind die Gebote der Stunde."
''Westdeutsche Zeitung'' (Duesseldorf)
"Im Freitagsgebet hat Revolutionsführer Khamenei, ein Ziehvater Ahmadinejads, sein Machtwort gesprochen - die nächsten Stunden und Tage werden zeigen, ob es wirkt. Wenn nicht, könnte tatsächlich das gesamte System zusammenbrechen. Nicht an der Gewalt der Straße, sondern an der Unfähigkeit und der mangelnden Legitimität der herrschenden Mullahs. Aber selbst wenn sich die Mächtigen in Teheran wieder zusammenraufen sollten - wofür manches gestern zu sprechen schien -, welchen Staat können sie noch machen mit einer Jugend, die sich innerlich schon längst und so radikal von ihnen verabschiedet hat?"
''tageszeitung'' (Berlin):
"Die Führung der Islamischen Republik, die ursprünglich aus einer Revolution hervorgegangen ist und die sich auf den Glauben beruft, ist an den Punkt gekommen, wo sie sich nur noch auf Waffen und Gewalt stützen kann. Ihr gegenüber stehen nicht nur Millionen von Gläubigen, die diese Führung und teilweise auch diesen Staat nicht mehr haben wollen. (...) Nicht weniger bedeutend ist, dass Khamenei und sein bevorzugter Präsident Ahmadinejad auch nahezu die Unterstützung der gesamten Instanzen des schiitischen Glaubens verloren haben. Sämtliche Großayatollah sind auf Distanz gegangen, manche unter ihnen haben inzwischen sogar zugunsten der Opposition Stellung bezogen."
''Tagesspiegel'' (Berlin)
"Für Barack Obama ist die Lage in doppelter Hinsicht schwierig. Er hat eine neue, moralischere Politik versprochen, muss also seine Sympathien für die Forderung nach ehrlichen Wahlen bekunden. Wenn er sich aber zu offen auf die Seite der Demonstranten gegen die Mullahs stellt, wäre das wie eine tödliche Umarmung. (...) Er hatte seinen Vorgänger Bush dafür kritisiert, dass der den Dialog mit dem Iran verweigerte, und direkte Gespräche über das Atomprogramm zugesagt. Wie kann er nun seine Solidarität mit der Protestbewegung ausdrücken, ohne die Tür zum Dialog mit den Mullahs zu verschließen? Die Republikaner wollen die Demonstration als Erfolg Bush'scher Härte ausrufen und fordern jetzt erst recht scharfe Sanktionen."
''Le Figaro'' (Paris)
"Die westlichen Demokratien können angesichts der Ereignisse in Teheran nur ihre Sorge ausdrücken, vor Gewaltanwendung warnen und die Behörden des Landes auffordern, die so schwer angefochtene Wahl glaubwürdig untersuchen zu lassen. Genau dies tun seit der Wahl am 12. Juni (US-Präsident) Barack Obama und die europäischen Länder. Man kann ihnen zu Recht Passivität und fehlende Kampfbereitschaft vorwerfen, doch sollte man sicher gehen, nicht den konservativsten Elementen des Mullah-Regimes in die Hände zu spielen, wenn man einen schärferen Tonfall anschlägt. Die Zukunft des Iran wird weder in Paris noch in Washington entschieden, sondern in Teheran."
''El Pais'' (Madrid):
"Die iranischen Behörden haben damit begonnen, die Mittel bedrängter Regime einzusetzen, um die Massenproteste gegen das Wahlergebnis zu bekämpfen. Dazu zählen Informationsverbote für Journalisten, Zensur der elektronischen und telefonischen Kommunikation, Fernsehberichte über angebliche bewaffnete Anstifter sowie die Gewalt, die bereits sieben Menschen das Leben gekostet hat. Der erdrückende Sieg des ultrakonservativen Mahmoud Ahmadinejad über den Reformisten Mir-Hossein Moussavi hat den schwersten Bruch im Iran seit 1979 verursacht. Dieser ist zugleich ein Katalysator für eine Spaltung der Elite der Khomeini-Revolution."
''Neue Zürcher Zeitung'':
"Die flexible Reaktion des iranischen Revolutionsführers Khamenei auf die ungewöhnliche Welle der Empörung gegen die Präsidentenwahl deutet auf eine tiefere Sorge um den Zusammenhalt des islamischen Regimes hin. Der Ayatollah unterstützte das Begehren der beiden Herausforderer Moussavi und Rezaie nach einer Nachzählung strittiger Distrikte. Das kontrastierte ein Stück weit mit seinem ersten Schritt nach der Wahlnacht, als er Ahmadinejad zu seiner erdrückenden Wiederwahl gratulierte und damit das Resultat gutzuheißen schien. Falls sich die heutige Konfrontation nicht mit irgendeinem faulen Kompromiss in Sachen Wahlergebnis überkleistern lässt, so droht eine ernsthafte Auseinandersetzung über die Richtung der Islamischen Republik, vielleicht sogar ein offener Bruch in der Trägerschaft des ganzen Revolutionsregimes."
''de Volkskrant'' (Amsterdam)
"Der Geist der Iranischen Revolution von 1979 schwebt durch die Straßen von Teheran. Jedenfalls wenn man den Hunderten von iranischen Bloggern und Twitterern glaubt, die dieser Tage übers Internet von den Massendemonstrationen in der iranischen Hauptstadt und anderen Teilen der Islamischen Republik berichten. Ältere Iraner, und selbst der unterlegene Präsidentschaftskandidat Moussavi, haben trotz ihrer Wut über das umstrittene Wahlergebnis zur Ruhe aufgerufen. Widerstand gegen einen möglichen Machtmissbrauch durch den Präsidenten Ahmadinejad begrüßen sie zwar. Doch sie wissen auch, dass der historische Umsturz vor 30 Jahren zu blutigen Abrechnungen geführt hat."
''Independent'' (Lndon)
"Wie sollte die übrige Welt auf die Ereignisse im Iran reagieren? Die Obama-Regierung hat bisher vernünftig gehandelt und ihre Sorge über Gewalt und angeblichen Wahlbetrug geäußert, jedoch die Demonstranten bisher nicht unterstützt. Das iranische Atomprogramm, seine Unterstützung militanter Palästinenser, seine Ölexporte und die Kontrolle strategischer Schiffsroute machen das Land zum Angelpunkt globaler Diplomatie. Die Ereignisse der letzten Tage werden die Nachbarländer und andere Mächte in Versuchung führen, die Ereignisse zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Dieser Versuchung sollte man widerstehen. Dies ist der schlechteste Augenblick, einen Einfluss im Iran ausüben zu wollen."
''La Stampa'' (Turin)
"Falls jemand geglaubt hatte, die Demonstrationen in Teheran würden Ahmadinejad in die Defensive zwingen, so wurde er getäuscht - mit einer ausgesprochenen Härte hat der iranische Präsident in Jekaterinburg seine Herausforderung an ein Amerika bekräftigt, das er im Niedergang sieht. Auch wenn US-Präsident Barack Obama tags zuvor mit ausgestreckter Hand gesagt hatte, trotz der Krise um die Wahlen den Dialog mit dem Iran fortsetzen zu wollen, so gibt Ahmadinedschads Antwort zu verstehen, dass er sich nicht geschwächt fühlt. Unter den in Washington zirkulierenden Erklärungen für die extreme Sicherheit, die er an den Tag legt, ist diese: Nach einem jüngsten Treffen des amerikanischen Vizepräsidenten Joe Biden mit iranischen Abgesandten in Genf gebe es einen geheimen Kommunikationskanal der beiden Länder, der es dem Iran auch erlaube, sich sehr einflussreich zu fühlen."

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