Stadtschulrat: Die Ära der Anfechtbaren endet

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Die scheidende Chefin, Susanne Brandsteidl (SPÖ), polarisierte mit flapsigen Sagern – traf aber mitunter auch den Kern der Sache.

Die Anekdote um die angebliche Forderung nach einer Kindergartenpflicht für Babys illustriert irgendwie ganz gut, wie Susanne Brandsteidl bisweilen wirkte. Um das „Subproletariatsproblem“ in den Griff zu bekommen, fordere die Stadtschulratspräsidentin (SPÖ) einen verpflichtenden Kindergarten ab dem ersten Lebensjahr, berichtete eine Zeitung vor inzwischen zweieinhalb Jahren nach einer Diskussion.

Es hagelte Kritik, Brandsteidl rückte aus, um ihre Aussage klarzustellen: Das habe sie nie so gesagt. Sie sei nur für ein ausreichendes Angebot. Man müsse aber auch sagen: „Bevor ein Kind zu Hause nicht gefördert wird, ist es doch besser, es in eine Institution zu geben, die das kann. Mamas sind nicht automatisch die besten Erzieher.“

Missverständnis hin oder her, die scheidende Stadtschulratspräsidentin redete sich bisweilen in einen Strudel. Manchmal, wohl in dem Bestreben, besonders klar und deutlich zu wirken, geriet ein Kommentar allzu flapsig. Meist jedenfalls alles andere als diplomatisch. Anders formuliert: Ein Sager war bei Susanne Brandsteidl meistens drin. „Als Eltern soll man nicht für den Mathematikunterricht, sondern fürs Liebhaben der Kinder zuständig sein“, sagte sie einmal, um den Sinn der Ganztagsschule zu illustrieren – eines ihrer zentralen Ziele. „Wir können die Fördermaßnahmen zwar verändern und verschärfen, aber nicht die Kinder austauschen“, über die Grenzen der Schulpolitik in einer Großstadt.

Nach 14 Jahren ist nun die Ära Brandsteidl in zwei Wochen vorbei. Obwohl das noch im August dementiert wurde, wurde Brandsteidl nach der Wahl geschasst. Wie sehr das an ihrer Performance (oder ihren polarisierenden Sagern) lag, wird höchstens hinter vorgehaltener Hand kommentiert. Sicher ist, dass Brandsteidl – genau wie ihr Lebensgefährte, der ebenfalls abgelöste Ex-Klubchef Rudolf Schicker – nicht sonderlich rot-grün-affin ist. Ganz anders als ihr Nachfolger, Jürgen Czernohorszky, der am 10. Dezember offiziell in seiner Funktion bestätigt wird. Wie lange er diesen Job machen wird, ist übrigens fraglich – werden mit der Bildungsreform doch die Landesschulratspräsidenten gestanzt. Doch das ist eine andere Geschichte.

Protegé von Laska

Ähnlich wie Czernohorszky heute trat Brandsteidl 2001 ebenfalls die Nachfolge eines eher überraschend abmontierten Stadtschulratspräsidenten Kurt Scholz an, nach einigen Jahren als AHS-Lehrerin für Deutsch und Geschichte, als Lektorin und ab 1994 als Referatsleiterin, schon im Stadtschulrat. Die damals 37-jährige Chefin der Fachgruppe der AHS-Lehrer im Bund Sozialdemokratischer Akademiker und Protegé der damaligen Vizebürgermeisterin, Grete Laska, war zuvor politisch eigentlich nicht weiter aufgefallen. Aber sie war ehrgeizig, forderte ein Nationalratsmandat, wollte das Headquarter der roten Bildungspolitik im Parlament sein. Wie sehr es ihr schmeichelte, dass sie damals (und auch noch später ab und zu) mehr oder weniger ernsthaft als Ministerkandidatin gehandelt wurde, konnte Brandsteidl nicht verbergen. Aber: Ihre Arbeit mache ihr große Freude.

Bei aller Kritik an ihren Formulierungen traf sie mitunter den Kern der Sache – gerade weil sie die Dinge (zu) sehr vereinfachte. Mit dem „Subproletariatsproblem“ etwa – also dass soziale Fragen zentraler sind als der Migrationshintergrund („Nur weil ich Deutsch spreche, bin ich auch nicht gescheiter“). Dass ein früher Kindergartenbesuch seine Vorteile hat, vor allem, wenn es zu Hause nicht gut läuft. Dass die Großstadt Wien andere Probleme hat als andere Bundesländer. Auch wenn ihr allgemeiner Tenor – in Wien laufe eigentlich eh alles ganz gut – nicht immer nachvollziehbar war.

Ganztagsschule als Vision

Ihre Vision einer verpflichtenden Ganztagsschule für alle stieß zwar manche vor den Kopf („Die Halbtagsschule soll in Form von Privatschulen ergänzend angeboten werden“), war aber für sie nur schlüssig: „Das ist meine Idealvorstellung und der große Gedanke hinter sozialdemokratischer Schulpolitik.“ Bei standardisierten Tests war sie sogar manchen voraus. Nur konsequent, dass sie stets die Idee der Zentralmatura verteidigte – auch wenn sie den Bund für die diversen Hoppalas immer wieder kritisierte („Ich glaube, dass das Projekt in Gefahr gebracht worden ist“).

Was Michael Häupl angeht, war Brandsteidl übrigens immer loyal – sogar als dieser die Lehrer mit seinem Spruch „Wenn ich 22 Stunden in der Woche arbeite, bin ich Dienstagmittag fertig“ verärgerte. Die Lehrer sollten sich nicht wegen eines Sagers vor den Karren jener spannen lassen, die jede Reform verweigern. Vielleicht auch, weil Brandsteidl ja weiß, wie das mit den Sagern so ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.12.2015)

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