Ski alpin: Hirscher fährt mit Wut im Bauch

(c) AFP (JOE KLAMAR)
  • Drucken

Sechs Wochen nach dem Weltcupauftakt greift Marcel Hirscher wieder ins Geschehen ein. Der Salzburger macht seinem Ärger über den Rennkalender Luft und sagt: „2019 ist Schluss.“

Vail. Von der ÖSV-Verletztenmisere in Übersee ist auch Marcel Hirschers Team nicht verschont geblieben. Seit einer Woche bereitet sich der vierfache Gesamtweltcupsieger in Colorado auf die kommenden Rennen in Beaver Creek vor. Während des Riesentorlauftrainings wollte sein Medienbetreuer Stefan Illek eine Kamera fixieren, als er ausrutschte, sich unglücklich verfing und einen Schien- und Wadenbeinbruch erlitt.

Abgesehen von diesem Malheur läuft das Training bei Hirscher aber reibungslos, auch den Jetlag hat er gut verkraftet. Mitgeflogen in die Rocky Mountains ist allerdings der Ärger des Salzburgers darüber, dass die FIS für den abgesagten Levi-Slalom keinen Ersatztermin findet. Während Hirscher um jedes technische Rennen froh ist, hat Renndirektor Markus Waldner gemeint, man könne auch mit zehn Saisonslaloms gut leben.

Hirscher hat dafür kein Verständnis, geht es für ihn doch um den Rekord eines fünften Weltcupgesamtsieges in Folge. Außerdem ist ihm nicht entgangen, dass Speed-Spezialist Aksel Lund Svindal mit einem Doppelsieg in Lake Louise seine Ansprüche auf den Gesamtweltcup angemeldet hat. Umso mehr träfe es den Techniker Hirscher, würde Levi ersatzlos gestrichen. "Schon am Saisonbeginn zu behaupten, man habe keinen Platz im Kalender, zeigt von Desinteresse. Wo ein Wille, ist auch ein Weg", ärgerte sich Hirscher.

Speed vs. Technik

Die Gewichtung im Weltcupkalender wird ohnehin kontrovers diskutiert. Als Mitglied der Athletenkommission hat Super-G-Weltmeister Hannes Reichelt scharfe Kritik geübt. Es gebe zu viele Technikrennen, die Speed-Fahrer seien im Kampf um den Gesamtweltcup klar im Nachteil, meinte Reichelt. Hirscher hat eine andere Position. "Jede Abfahrt wird nachgetragen. Und selbst wenn eine nur zur Hälfte gefahren wird, zählt sie als ganze. Wenn hingegen von einem Riesentorlauf nur ein Durchgang gefahren wird, ist das Rennen gestorben", kritisiert Hirscher. "Mittlerweile reicht's ein bissl. Die City-Events purzeln weg nach Belieben. Wenn man das von vornherein wüsste, könnte man gleich etwas anderes trainieren."

So etwas könne am Ende entscheidend sein, erklärt Hirscher. Schließlich ist er an mehreren Fronten der Gejagte. In der Slalomwertung hat Felix Neureuther eine Rechnung offen, der Deutsche musste sich zuletzt dreimal in Folge mit Platz zwei begnügen. Im Riesentorlauf hatte Hirscher den einsamen Herrscher Ted Ligety gestürzt, doch heuer hat sich der US-Amerikaner zurückgemeldet. "Wenn bei ihm alles rund läuft, ist er wieder uneinholbar und weit voraus", lautet Hirschers Erkenntnis nach Ligetys Sieg in Sölden. "Nur wenn es ein bissl hakt bei ihm, ist er gleich gut wie wir und schlagbar." Ein Platz in den Top fünf am Sonntag in Beaver Creek wäre deshalb für Hirscher bereits ein Erfolg.

Zuvor steht allerdings am Samstag der Super-G auf dem Programm. Mit Beaver Creek, Südkorea, Kitzbühel, Hinterstoder und dem Weltcupfinale will der Österreicher so viele Super-G bestreiten wie noch nie. "Wer einmal Vierter werden kann, kann das auch öfter", meint Hirscher.

Um den Druck aber nicht zu groß werden zu lassen, lautet sein Motto: "Es ist eine Saison, in der es um gar nichts geht. Ob ich eine weitere Kugel gewinne oder nicht, wird nicht viel ändern." Allzu lang wird er ohnehin nicht mehr Rennen fahren, das hat der 26-Jährige schon mehrmals angedeutet. "2019 ist Schluss. Das ist zumindest der momentane Plan."

Die gebotene Vorsicht

Heute wird Hirscher in Beaver Creek am Abfahrtstraining auf der anspruchsvollen Raubvogelpiste teilnehmen, allerdings "mit der gebotenen Vorsicht". Denn dass der ÖSV in Nordamerika vom Sturzpech verfolgt wird, musste Hirscher im eigenen Team erfahren. Vertrauensmann Illek – der Steirer war unter anderem Vorläufer auf der Kitzbüheler Streif – wurde umgehend operiert, Anfang Jänner will er wieder dabei sein.

AUF EINEN BLICK

Marcel Hirscher, 26, bereitet sich seit über einer Woche in Colorado auf seine Weltcupeinsätze am Wochenende in Beaver Creek vor. Am Samstag steht der Super-G, am Sonntag der Riesentorlauf auf dem Programm. Heute wird Hirscher am Abfahrtstraining teilnehmen.

Zum Ärger des Salzburgers hat die FIS noch keine Entscheidung über ein Ersatzrennen für den abgesagten Levi-Slalom getroffen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.12.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Wintersport

Ski alpin: Svindal setzt Siegesserie fort

Norwegischer Doppelsieg in Abfahrt von Beaver Creek. Reichelt als bester Österreicher Vierter.
Hannes Reichelt
Wintersport

Ski alpin: Teil zwei der "Elchjagd" in Beaver Creek

Hannes Reichelt und Co wollen in den USA die norwegischen Topfavoriten Aksel Lund Svindal und Kjetil Jansrud angreifen.
Mirjam Puchner
Wintersport

Ski alpin: ÖSV-Abfahrerinnen in Lake Louise vorn dabei

Mirjam Puchner holte vor Lindsey Vonn die Trainingsbestzeit. Auch Nicole Schmidhofer und Cornelia Hütte fuhren in den Top sechs.
SKI-AUDI-FIS-ALPINE-SKI-WORLD-CUP---MEN´S-DOWNHILL
Wintersport

Hannes Reichelt: In neue Dimensionen vordringen

Hannes Reichelt will den Respekt ablegen und träumt von seinem ersten Abfahrtssieg in Beaver Creek. Der Abtransport nach Düragers Sturz erzürnt den Athletensprecher weiterhin.
Kjetil Jansrud
Wintersport

Ski alpin: Jansrud gibt in den USA das Tempo vor

Der Norweger Kjetil Jansrud fuhr im ersten Abfahrtstraining in Beaver Creek Bestzeit. Hannes Reichwelt war bester ÖSV-Läufer Siebenter.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.