Freunde, nur ja keine Panik auf der Pensions-Titanic!

Das Pensionsloch wird größer. Kein Grund zur Unruhe, meint die AK.

Wir Österreicher sind schon ein eigenartiges Volk. Einerseits freuen wir uns über den hohen Lebensstandard, den wir in vollen Zügen genießen; über das gut ausgebaute Sozialsystem, die schöne Umwelt, die frische Luft und die vielen tollen Sportler.

Andererseits kann es uns niemand recht machen. Egal, was auch immer geschieht, nichts genügt unseren Ansprüchen, alles wird in Grund und Boden kritisiert. Politiker und Interessenvertreter wissen, wovon die Rede ist. Mögen sie sich noch so sehr „für die Menschen“ ins Zeug legen, Nörgelei und Unzufriedenheit ist der Lohn.

Insbesondere von „den Medien“, die aus Sicht vieler Politiker längst Teil einer großen Verschwörung sind, deren Hintermänner noch nicht entlarvt sind. Weshalb auch bei keiner Podiumsdiskussion der Hinweis fehlen darf: „Aber darüber berichten die Medien ja sowieso nicht!“

„Darüber“ ist alles Erfreuliche, das von der Politik angestoßen wurde und noch der anerkennenden Würdigung harrt. Nehmen wir nur die vielen Reformen im Pensionssystem, deren Erfolg nicht zur Kenntnis genommen wird, wie hochrangige Vertreter des politischen Establishments beklagen.

„Alles auf bestem Wege“

Dabei sei doch alles auf bestem Wege, man müsse nur die Reformen wirken lassen. So werde das Pensionsloch niedriger ausfallen als prognostiziert, bis 2019 müssen drei Milliarden Euro weniger für das Stopfen des Pensionslochs ausgegeben werden als noch vor einem Jahr geplant. „Der Herr Finanzminister bekommt also erheblichen Budgetspielraum für andere Bereiche. Diese Spielräume sollte er nutzen“, meint etwa Arbeiterkammerpräsident Rudolf Kaske.

Nun ja, so kann man die Sache natürlich auch sehen. Allein in den nächsten fünf Jahren werden in Summe 60 Milliarden Euro an Steuergeld ausgegeben, um das staatliche Pensionssystem vor dem Zusammenbruch zu bewahren, aber AK und Pensionistenverband orten „Budgetspielraum“, weil der Abgang ja schwächer sei als geplant. Man muss eben nur das zu erwartende Minus hoch genug ansetzen, um sich trotz milliardenschwerer Abgänge noch Geld zu „sparen“.

Die AK: Eine Pressesprecherin?

Derartige Darstellungen sind übrigens nicht gerade das, was man sich von einer in Verfassungsrang stehenden Interessenvertretung erwarten dürfte. Sie ist ja schließlich nicht die Pressesprecherin des Sozialministeriums, sondern steht im Dienste aller heimischen Arbeitnehmer. Also auch jener Aktiven, die in den kommenden Jahren viel mehr Geld zu den Pensionen werden beitragen müssen. Und das bezahlen sie übrigens nicht mit dem BIP, sondern mit hart erarbeiteten Steuern und Abgaben.

Dabei ist die Lage schon jetzt prekär: Das Stopfen des Pensionslochs, die Auszahlung der Beamtenpensionen und der Zinsendienst verschlingen bereits die gesamten Lohnsteuereinnahmen. Die Steuern aller Arbeitnehmer gehen also in die Abdeckung dieser drei Posten – da ist noch kein Lehrer oder Polizist bezahlt, ist noch keine einzige Straße gebaut und auch kein Arbeitslosengeld überwiesen.

Und was macht die gesetzlich vorgeschriebene Vertretung aller Arbeitnehmer? Sie fordert ein Ende aller Reformdebatten, schließlich sei alles paletti. Statt bei allen Bürgern dafür zu werben, etwas von der Zeit, die sie durch die steigende Lebenserwartung gewinnen, in das öffentliche Pensionssystem zu investieren, um es dauerhaft abzusichern.

Aber wie gesagt, wir Österreicher sind halt ein eigenartiges Volk.

Franz Schellhorn (geboren 1969 in Salzburg) leitete das Wirtschaftsressort der „Presse“. Seit 2013 ist er Direktor der wirtschaftsliberalen Denkfabrik Agenda Austria.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.12.2015)

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