Cameron: „Wollen wir auf die Terroristen warten?“

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In London und Berlin stimmten sich die Alliierten auf Militärschläge gegen den IS ein. Britische und deutsche Jets waren startbereit.

London/Berlin. Die Tornado-Jets der Royal Air Force auf Akrotiri, dem britischen Militärstützpunkt auf Zypern, waren startklar – bereit, schon Donnerstagfrüh auf die Hochburgen des sogenannten Islamischen Staates (IS) in Syrien loszusteuern, nur Stunden nach dem Votum des Parlaments in London über einen Kriegseinsatz Großbritanniens. Eine mindestens zehnstündige Debatte darüber war im Unterhaus in Westminster darüber angesetzt, und die Parlamentarier hatten für die hitzige Diskussion sogar das Mittwochsritual der Fragestunde an den Premier geopfert.

Draußen vor dem Parlament demonstrierte eine Schar von Kriegsgegnern, darunter der Karikaturist Kaya Mar, der David Cameron als Gaul und François Hollande als nackten Napoleon porträtiert hatte – gleichsam eine Analogie zum Irak-Krieg, als Tony Blair vielen Briten als Bushs Pudel galt. Nach dem Abstimmungsdebakel über eine britische Intervention in Syrien im August 2013 im Zusammenhang mit den Giftgasvorwürfen gegen das Assad-Regime hatte Cameron in der Nacht auf Donnerstag auf eine klare Mehrheit gehofft.

Denn Dutzende Abgeordnete der oppositionellen Labour Party sprachen sich für eine militärische Beteiligung an der Anti-IS-Allianz aus, obwohl Parteichef Jeremy Corbyn vehement gegen einen Feldzug eingetreten war. Er gab die Abstimmung frei, weil prominente Mitglieder seines Schattenkabinetts entschieden anderer Ansicht waren.

Der konservative Premier riskierte noch einen Stimmungsumschwung in den Labour-Reihen, als er in einer Fraktionssitzung über Corbyn und seinen „Haufen von Terrorsympathisanten“ herzog. In seiner Rede bezog Cameron dann dezidiert Stellung gegen Daesh, wie er die Jihadisten-Miliz fortan mit ihrem arabischen Terminus bezeichnen will. „Die Bedrohung ist sehr real“, sagte er in Anspielung auf vereitelte Attentatspläne.

In einer rhetorischen Frage wandte er sich an das Plenum: „Wollen wir mit unseren Alliierten zusammenarbeiten, um diese Bedrohung auszulöschen und die Terroristen in ihrem Stammland zur Strecke bringen, wo sie Anschläge gegen Briten aushecken – oder lehnen wir uns zurück und warten auf sie?“ Corbyn warf dem Premier derweil vor, jenseits der Militärschläge keine Strategie gegen den IS in petto zu haben, und beschwor die Gespenster der Kriegsabenteuer im Irak, in Afghanistan und Libyen.

In einer Art Parallelaktion begann zugleich auch im Reichstag in Berlin eine Debatte über einen Kriegseinsatz Deutschlands in Syrien. Grüne und die Partei Die Linke opponieren gegen eine deutsche Beteiligung. Die Große Koalition hat aber bereits eine grundsätzliche Entscheidung gefällt, und es herrscht kein Zweifel am Ausgang des Votums am Freitag. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen schwor ihre Landsleute auf einen „langen, schweren und gefährlichen“ Waffengang ein, der nächste Woche starten soll.

Russland: Öl ins Feuer

Während Russland in der Kontroverse mit der Türkei neuerlich Öl ins Feuer goss und den Erdoğan-Clan bezichtigte, vom Ölschmuggel mit dem IS profitiert zu haben, verstärkten die USA ihre diplomatischen Bemühungen für eine geschlossene Anti-IS-Front. US-Präsident Barack Obama brachte zwar seine Skepsis über eine Kooperation mit Russland insbesondere in der Frage nach der Rolle Assads in einem Postkriegsszenario vor. Außenminister John Kerry appellierte indes an die Türkei, die Grenze zu Syrien – vor allem den Abschnitt unter IS-Kontrolle – komplett abzuriegeln. UN-Botschafterin Samantha Power plädierte rasch für eine neue Syrien-Verhandlungsrunde, am besten in New York. (vier)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.12.2015)

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